Testosteron-Doping Biss am Berg dank Hodenpflaster
Diesmal war es Testosteron. Das Sexualhormon gilt als das anabole Steroid, das von Ausdauersportlern am Häufigsten zum Doping verwendet wird. Es gilt außerdem als Leistungssteigerer, der in den Tests nicht allzu leicht auffällt. Die positive Probe bei der elften Etappe der Tour de France am vergangenen Donnerstags erinnert an den Fall des US-Radprofis Floyd Landis. Er war bei der Tour 2006 des Testosterondopings überführt worden. Damals hatten Experten gesagt: Nur wer sich dumm anstellt, fällt auf - oder wer sich bei der Dosierung verrechnet.
Der französischen Sportzeitung "L'Equipe" zufolge wurden im Urin eines Fahrers Spuren körperfremden Testosterons gefunden. Das Sexualhormon wird im Hoden produziert. Mit synthetischen Varianten, die in der Medizin eingesetzt werden, können Athleten ihren Testosteronspiegel manipulieren. Das Steroid macht angriffslustig und gibt ein Gefühl von Stärke. Es regt auch den Muskelaufbau, die Regeneration und die Blutbildung an, kann bei Überdosierung aber schwere Gesundheitsschäden verursachen.
Für den Nachweis einer Manipulation ist wichtig, ob das Hormon im Blut oder Urin des Sportlers aus dem eigenen Körper stammt oder von außen zugeführt wurde. Eine aufwendige Methode kann diese Frage unstrittig beantworten: IRMS - laut "L'Equipe" wurde sie auch dem Dopingsünder der elften Tour-de-France-Etappe zum Verhängnis.
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SPIEGEL ONLINE erklärt, wie Testosterondoping funktioniert, was es bewirkt, wie Dopingkontrolleure es nachweisen können - und was so gefährlich daran ist:
Wie funktioniert Testosterondoping?
Es ist das vielleicht trivialste Doping im Ausdauersport. Viele Experten halten es auch für das verbreitetste: Schließlich ist das männliche Sexualhormon Testosteron beinahe ein Allerweltsmedikament. Unzählige Männer, deren Testosteronspiegel zu niedrig ist, bekommen Hormonersatz-Therapien - etwa nach einer Chemotherapie gegen Krebs, bei der die Hoden in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Sie produzieren natürlicherweise das Hormon.
Alle drei bis vier Wochen eine Spritze in den Po, das ist die Standardverabreichung in der Testosteronersatz-Therapie. Spritzen mit längeren Wirkdauern (bis zu einem Vierteljahr) sind noch relativ neu. Auch Hautgels enthalten das Hormon, ebenso wie Pflaster, die täglich einige Stunden auf den Hodensack geklebt werden müssen. Kleine Implantate unter der Haut, die kontinuierlich Testosteron an den Körper abgeben, sorgen für einen besonders konstanten Hormonpegel.
Doping-willigen Sportlern stehen also eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verabreichung offen. Der Bezug von Testosteron gilt als völlig unproblematisch, es existiert ein breiter Schwarzmarkt. Hormonpflaster gelten als Kick für den laufenden Wettkampf - schon so mancher Radler soll mit dem Pflästerchen am Leib zur Bergetappe angetreten sein.
Was bewirkt Testosterondoping?
Die psychische Wirkung von Testosteron kann wettkampfentscheidend sein, berichten Sportmediziner: Wegen seines leistungssteigernden Effekts als Anabolikum eingestuft, gibt es den Dopingsündern auch ein Gefühl von Kraft und Angriffslust. Schmerz- und Leistungsgrenzen lassen sich so verschieben.
Außerdem regt Testosteron die Blutbildung an. Je mehr rote Blutkörperchen ein Mensch hat, desto besser kann sein Kreislauf Sauerstoff von der Lunge ins Muskelgewebe transportieren. Das Sexualhormon fördert auch den Muskelaufbau - weshalb es unter anderem bei Bodybuildern beliebt ist.
Für Profiradler auf langen Rundfahrten hat Testosteron noch einen weiteren unschätzbaren Wert: Es unterstützt die Regeneration der müden Muskeln. Ausgebrannte Körper nach einer harten Pyrenäen- oder Alpenetappe können sich mit künstlichem Testosteron im Kreislauf schneller wieder erholen. Meist steht ja am nächsten Tag schon eine weitere Strapaze bevor.
Wie beweist man Testosterondoping?
Lange galt: Wer beim Testosterondoping erwischt wurde, war schlicht dumm - oder hat sich verrechnet. Denn in kleinen, gleichmäßigen Dosen verabreicht, fiel das Hormon im Dopingtest kaum auf. Hodensackpflaster für den akuten Leistungsschub galten deshalb lange als sicher. Auch bei langfristiger Verabreichung können Sportmediziner Athleten so einstellen, dass ihr Hormonspiegel konstant im oberen Bereich des gerade noch Zugelassenen liegt.
Weil Testosteron rasch vom Körper aufgenommen wird, den Stoffwechsel schnell durchläuft und auch bald schon wieder ausgeschieden ist, gilt es als äußert flüchtiges Dopingmittel.
Allerdings stimmt das Medikamenten-Testosteron, mit dem Athleten betrügen, chemisch nicht ganz mit der natürlich Variante des Hormons überein. Die synthetischen Varianten (Propionat, Enanthat/Cypionat, Undecanoat, Buciclat) unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung leicht. Mit der Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie (IRMS) kann man diesen Unterschied herausfinden.
Dabei wird Testosteron aus einer Dopingprobe auf das Verhältnis zweier Kohlenstoff-Isotope hin untersucht: Alle Produkte des körpereigenen Systems zur Steroidsynthese haben das gleiche Verhältnis von Kohlenstoff-12 zu Kohlenstoff-13 (C-12 und C-13). Wird von außen Testosteron zugeführt, unterscheidet sich dessen C12-C13-Verhältnis erkennbar. Das Verfahren soll nach Angaben der Sportzeitung "L'Equipe" auch in der positiven Dopingprobe von der 11. Etappe der aktuellen Tour-de-France-Etappe angewandt worden sein. Es ist deutlich aufwendiger als der konventionelle Test.
Bei diesem sogenannten Screening-Verfahren bilden die Kontrolleure schlicht ein Profil unterschiedlicher körpereigener Steroide des Athleten. Eines davon ist Testosteron. Die Hormone kommen im Blut in einem bestimmten Mengenverhältnis zueinander vor. Ändert sich ein Parameter - etwa für das männliche Sexualhormon - im Profil stark, so gilt das als Hinweis auf eine Manipulation, nicht jedoch als Beweis. Oft wird dann zur weiteren Untersuchung auf IRMS zurückgegriffen.
Welche Risiken birgt Testosterondoping?
Wer zu wenig Testosteron im Körper hat, kann unter Erektionsstörungen und der Knochenkrankheit Osteoporose leiden. Bei Jungen mit einem zu niedrigen Pegel kann die Pubertät ausbleiben. Doch was bewirkt ein zu hoher Testosteronwert?
Die Liste der Nebenwirkungen ist lang, und bezieht sich fast immer auf einen zu hohen Pegel in Folge künstlicher Verabreichung - also auch Dopings. Leber- und Nierentumore sollen ebenso wie Herz- und Kreislaufschäden zu den Folgen zählen. Auch ein schlechterer Cholesterinwert und eine höhere Gefahr von Schlaganfällen und Thrombose können sich einstellen.
Für einige Folgen hoher Testosteronwerte sind besonders professionelle Bodybuilder bekannt: Neben starkem Muskelwachstum verändert das Hormon auch die Gesichtszüge (sie werden gröber), kann zu Haarausfall führen und Akne hervorrufen. Bei drastischer Überdosierung drohen außerdem irreparable Hodenschäden bis hin zur Unfruchtbarkeit.
Was sind die verbotenen Alternativen?
Kortikoide als Entzündungshemmer wirken euphorisierend und helfen Athleten in Ausdauerdisziplinen, über Schmerzen und Erschöpfung hinwegzukommen. Adrenocortikotropin (ACTH) oder seine synthetische Entsprechung Synacthen werden als Dopingmittel eingesetzt, weil sie die Produktion körpereigener Kortikoide stimulieren.
Anabole Steroide sind die klassischen Dopingmittel in Kraftsportarten. Aber auch Ausdauersportler setzen sie ein. Im Radsport berühmt geworden sind die Testosteronpflaster von Tour-de-France-Athleten. Testosteron oder Nandrolon verstärken den Muskelaufbau. Von menschlichen Wachstumshormonen (HGH für Human Growth Hormones) erhoffen manche Sportler anabole Wirkung - nachgewiesen ist das aber nicht.
Insulin, das normalerweise Diabetiker spritzen müssen, gilt unter Dopingsündern als Geheimtipp, um den Zuckerspeicher des eigenen Körpers aufzustocken. In Muskeln und Leber können nach einer Injektion bis zu 12-mal mehr Glukosevorräte eingelagert werden als ohne Insulin-Doping. Dieser Zucker dient dann später als Leistungsreserve.