Experimente mit Hunden "Ich bin auf der Seite der Tiere"

Tierversuche dienen nicht nur dem Menschen. Auch um Haustiere bestmöglich versorgen zu können, finden die Experimente statt. Eine Forscherin berichtet.
Aufgezeichnet von Julia Merlot
Beagle (Symbolbild)

Beagle (Symbolbild)

Foto: Getty Images/EyeEm

Ich mache Tierversuche mit Hunden. Allerdings sieht das anders aus, als es sich die meisten Menschen vorstellen. Als Tierärztin untersuche ich Medikamente für Tiere an Tieren.

Zum Beispiel habe ich ein Schmerzmittel an Beagles getestet, das bereits in Tierarztpraxen angewendet wurde. Ich wollte wissen, wie lange die Wirkung anhält. Dazu bekamen die Hunde das Mittel und eine hitzebildende Manschette ums Bein. Sobald sie mit der Pfote in die Luft schlugen oder andere Abwehrreaktionen zeigten, wusste ich, dass das Schmerzmittel nicht mehr wirkt.

Die Manschette schaltet sich automatisch ab, bevor sich die Hunde verbrennen. Ich habe sie auch schon an mir selbst getestet. Dass das Abschaltsystem funktioniert, ist auch für die Experimente wichtig, weil verbrannte Haut anders auf Schmerzreize reagiert als gesunde.

Wenn man einen Tierversuch beantragt, wird ein Schweregrad festgelegt. Dabei gelten meine Experimente offiziell meist als wenig belastend. Starke Schmerzen haben die Hunde nicht, aber natürlich ist der Versuch unangenehm. Das muss man anerkennen.

Bei unseren Versuchen bleiben die Hunde am Leben. Ist ein Experiment beendet, werden sie oft gegen eine Schutzgebühr in Privathaushalte vermittelt. Versuchstiere dürfen in vielen Fällen nur ein Experiment mitmachen, weil vorangegangene Versuche die Ergebnisse der darauffolgenden verfälschen können. Es kommt auch vor, dass wir Forscher ein Versuchstier übernehmen. Gerade Beagles sind sehr kooperativ und auf den Menschen fixiert. Da kann man leicht schwach werden.

"Da werde ich zum Tierversuchsgegner"

Gerade bei großen Tieren wie Katzen, Hunden, Pferden oder Schweinen fällt es besonders jungen Forschern oft schwer, sich irgendwann von den Versuchstieren zu trennen. Aus meinem ersten Tierexperiment - das war in Kanada - habe ich auch zwei Pferde mit nach Deutschland gebracht.

Die Tiere hatte ich mit einem Grippevirus infiziert, um die Wirksamkeit verschiedener Impfstoffe zu testen. Dabei stellte sich heraus, dass die Mittel nicht vor der Infektion schützten und verbessert werden mussten. Inzwischen wahre ich mehr Distanz zu den Versuchstieren, sonst hätte ich wahrscheinlich irgendwann einen ganzen Zoo zu Hause.

Die Versuche kann ich trotzdem gut vor mir selbst rechtfertigen, auch weil sie dazu beitragen, andere Tiere - und nicht Menschen - besser behandeln zu können. Ich bin auf der Seite der Tiere. Und trotzdem ist selbst das in der ethischen Abwägung kompliziert. Darf man wenige Tiere zum Wohl vieler leiden lassen?

Der Ethiker meiner Hochschule stellt mir hin und wieder solche Fragen. Ich habe keine pauschale Antwort darauf, finde es aber wichtig, mich damit auseinanderzusetzen. Es gibt immer noch Tierversuche, die in meinen Augen total überflüssig sind, besonders wenn die wissenschaftliche Fragestellung dahinter schlecht ist und die Ergebnisse dadurch wertlos. Da werde ich zum Tierversuchsgegner, obwohl ich selbst Tierversuche mache.

Deshalb ist es mir bei jungen Forschern auch lieber, sie fühlen sehr stark mit den Tieren mit als gar nicht. Wer nicht in der Lage ist, das Leid seiner Mitgeschöpfe zu erkennen, hat auf dem Gebiet der Tierversuchsforschung aus meiner Sicht nichts verloren. Es gibt auch immer wieder Studenten oder Doktoranden, denen die Versuche zu nahe gehen und die dann eine andere Laufbahn einschlagen. Für die meisten sind die Experimente aber okay.

Man muss dazu auch sagen, dass sich für die Tiere in den vergangenen Jahrzehnten viel verbessert hat - auch durch den Druck der Öffentlichkeit. Ein ehemaliger Kommilitone von mir, auch ein Tiermediziner, hat seine Doktorarbeit vor vielen Jahren zum Beispiel an einem Institut gemacht, wo es den Hunden richtig elend ging.

Da interessierte sich niemand dafür, das Leid der Tiere so gering wie möglich zu halten. Er hat dagegen protestiert, und es hieß nur: "Dann können Sie ja gehen." Er ist dann privater Tierarzt in einer Praxis geworden.

Heute wird es das in dieser extremen Form wahrscheinlich kaum noch geben. Das Bewusstsein für das Wohl der Tiere ist viel größer als früher, und es gibt hohe bürokratische Hürden. Jeder Versuch muss von der Genehmigungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes genehmigt werden. In der sitzen übrigens auch Vertreter von Tierschutzorganisationen.

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