
Nachstellung: Sah so die Bronzezeit-Bewohnerin aus?
Foto: Dartmoor National Park Authority/ Mike NendickAuf einem Grundstück von Prinz Charles wurde ein verbrannter Leichnam gefunden, es könnte sich um eine Frau handeln. Wer war die fürstlich bestattete Dartmoor-Bewohnerin aus der Bronzezeit? Archäologen haben das Grab geöffnet: Bernsteinschmuck, Perlen und Werkzeuge sollen das Rätsel lösen.
Der Whitehorse Hill, auf dem der Tote gefunden wurde, ist ein ungemütlicher Ort. Die Hügelkuppe ist mit rund 600 Metern über dem Meeresspiegel eine der höchsten Erhebungen des Dartmoors und ständig dem kalten Wind ausgesetzt. Straßen führen nicht dort hin - wer auf den Hügel steigen will, kann höchstens einem alten Torfstecher-Pfad folgen oder sich durch die Wildnis schlagen.
Vor etwa zehn Jahren spülte hier oben ein Unwetter die Schmalseite einer kleinen Steinkammer frei - ein bronzezeitliches Grab. Es wurde notdürftig gesichert und sich zunächst wieder selbt überlassen. Erst als der Torf von Wind und Regen so weit abgetragen war, dass die Kammer drohte, in sich zusammenzufallen, entschlossen sich das Historic Environment Projects Team des Cornwall Council, die Denkmalschutzorganisation English Heritage und Archäologen der Plymouth University dazu, das Grab näher zu untersuchen.
Die Überraschung war groß: Was sie darin fanden, beschreiben die Archäologen in ihrem Grabungsbericht als "die wichtigste Ansammlung prähistorischer Grabgüter, die jemals im Dartmoor, wenn nicht gar im gesamten Südwesten Englands gefunden wurde". Als das Induviduum in der frühen Bronzezeit, irgendwann zwischen 1900 und 1500 vor Christus, starb, legte man ihm feine Kleidung an, verbrannte den Leichnam auf dem Scheiterhaufen und gab ihm kostbaren Schmuck, Gefäße und Werkzeuge mit in die Grabkammer.
Verkohlter Rest
Nach rund drei Jahren sind nun die Untersuchungen abgeschlossen und die Funde werden vom 13. September bis zum 13. Dezember dieses Jahres im Plymouth City Museum and Art Gallery zum ersten mal der Öffentlichkeit präsentiert.
Zum Todeszeitpunkt war der Mann oder die Frau erst zwischen 15 und 25 Jahre alt - nach dem Knochenbau zu urteilen eine schmale, zierliche Person. Von der Kleidung ist noch ein verkohlter Rest erhalten. Das Stück ist aus feinen Nesselfasern gewebt, den Rand ziert eine Borte aus Dreiecken von Kalbsleder. Die Archäologen vermuten, dass es einst zu einem Gürtel gehörte. Es überstand als einziges Teil der Kleidung den Scheiterhaufen. Der muss allerdings lichterloh und bis zum Grund gebrannt haben, wie die Ausgräber aus den wenigen Resten von Eiche und Hasel schließen konnten, mit denen der Leichenbrand vermischt war.
Anschließend betteten die Bestatter den Boden der Steinkammer mit Blauem Pfeifengras aus, das auch heute noch reichlich in der Umgebung wächst. Knochen und Asche wickelten sie sorgsam in ein Fell ein. Glücklicherweise bekam der oder die Tote den Schmuck nicht mit auf den Scheiterhaufen, sondern erst mit in die Grabkammer gelegt. Vor allem das Armband ist ein einzigartiges Stück - weil normalerweise organische Reste im feuchten Boden Englands schnell vergehen.
Es ist nur dem feuchten, sauerstoffarmen und sauren Torfboden des Dartmoors zu verdanken, dass dieses filigrane Band aus feinen Strähnen von Kuh-Haar erhalten blieb. Zwischen der Spitzenborte sitzen jetzt noch 32 von ursprünglich 35 Perlen aus Zinn. Das silberweiß schimmernde Metall war damals noch ein Novum - erst um 2000 vor Christus waren die Techniken der Zinngewinnung vom Erzgebirge ins südliche England gelangt. Das Armband ist eines der ganz wenigen Schmuckstücke aus Zinn, die überhaupt jemals in vorgeschichtlichen Gräbern Britanniens gefunden wurden.
Perlen aus Bernstein
In einem Korb aus Lindenbast lag ein weiterer Schatz: über 200 Perlen. Etwas mehr als die Hälfte davon sind aus Ton geformt - allerdings stammt das Material nicht aus dem Dartmoor. Auch der Schiefer, aus dem 92 weitere Perlen gefertigt sind, ist ein "Import": aus Kimmeridge in der Grafschaft Dorset. Am spektakulärsten sind jedoch sieben Perlen aus Bernstein, der von der Ostseeküste stammt.
Wahrscheinlich wurden dem Bernstein in der Bronzezeit magische Kräfte zugesprochen - ein weiteres Indiz dafür, dass der oder die Tote zu Lebzeiten eine besondere Position in der Gesellschaft innehatte. Eine einzige Perle ist, wie auch die des Armbands, aus Zinn gemacht. Leider hat der Faden, auf den sie gereiht waren, die Jahrhunderte im Boden nicht überdauert. Aber "die Anzahl der Perlen reicht aus, um eine spektakuläre Kette aus verschiedenen Materialien ergeben zu haben", schreiben die Ausgräber.
Wer war der oder die Tote auf Prinz Charles' Ländereien? "Es ist möglich, dass er aus einer Siedlung kam, die wir bislang noch nicht gefunden haben", spekuliert Michael Nendick, Sprecher der Dartmoor National Park Authority. "Aber er könnte durchaus auch aus einer prähistorischen Siedlung wie Kestor stammen. Mit nur 3,5 Kilometern Entfernung in nordwestlicher Richtung zur Kuppe des Whitehorse Hill ist sie die nächste, die wir kennen."