Treibhausgas China soll USA beim CO2-Ausstoß schon überholt haben

China wird die USA bald als weltgrößter Kohlendioxid-Verursacher ablösen - so hieß es bisher. Doch neuen Schätzungen zufolge ist das schon geschehen. Und schlimmer noch: Wegen China steigt der globale CO2-Ausstoß schneller als der Energieverbrauch.

Früher als gedacht hat China den unrühmlichen Spitzenplatz der größten Kohlendioxid-Emittenten erreicht, sollten die Zahlen von Wissenschaftlern des niederländischen Forschungsinstituts Milieu- en Natuurplanbureau (MNP) stimmen. Demnach überstieg Chinas CO2-Ausstoß bereits im vergangenen Jahr den des bisherigen Spitzenreiters, der USA. Das MNP ist Auftragnehmer des niederländischen Umweltministeriums sowie internationaler Organisationen.

Chinesen vor Neubauten (in Hongkong): Weltgrößter Zementproduzent - vielleicht auch schon größter CO2-Verschmutzer

Chinesen vor Neubauten (in Hongkong): Weltgrößter Zementproduzent - vielleicht auch schon größter CO2-Verschmutzer

Foto: REUTERS

Die Nachricht kommt durchaus überraschend. Erst im April hatte Fatih Birol, der Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA), den Führungswechsel in der Rangliste der CO2-Emittenten für 2007 vorhergesagt.. Nach absoluten Ausstoßzahlen wäre China somit spätestens 2008 eindeutiger Spitzenreiter.

Allerdings ist die Berechnung der online verfügbaren Studie  der Niederländer vorläufig. Sie stützt sich auf eine Analyse der Verbrennung fossiler Energieträger sowie der Zementproduktion des Jahres 2006. Der Mineralölkonzern BP hatte diesen Monat eine Studie zum weltweiten Verbrauch von Öl, Gas und Kohle  des Jahres 2006 vorgestellt. Die Zement-Zahlen erhielt das MNP vom US Geological Survey. Bei der Herstellung des Baustoffs werden große Mengen Energie verbraucht - und entsprechend CO2 freigesetzt. China hat einen Anteil von mehr als zwei Fünftel der weltweiten Zementproduktion. Andere Treibhausgase wie etwa Methan aus der Landwirtschaft gingen nicht in die Berechnung mit ein.

China soll bereits acht Prozent vor den USA liegen

"Es werden Unsicherheiten über die genauen Zahlen bestehen bleiben", sagte Jos Olivier, ein Wissenschaftler am MNP. "Aber dies ist die beste und aktuellste Abschätzung, die zur Zeit verfügbar ist." Demzufolge stieß China im vergangenen Jahr bereits acht Prozent mehr CO2 aus als die USA, 2005 waren es noch zwei Prozent weniger gewesen.

Im Vergleich zum Vorjahr seien die chinesischen CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen 2006 um neun Prozent gestiegen. In den USA sei der Kohlendioxidausstoß im gleichen Zeitraum hingegen um 1,4 Prozent gesunken. Die Werte für die Europäische Union - in ihrem alten Zuschnitt aus 15 Staaten - seien derweil mehr oder weniger konstant geblieben.

Nordamerika sei die einzige Weltregion, in der im Lauf des Jahres 2006 der Kohlendioxid-Ausstoß gesunken sei, so die Studie. Allerdings gilt auch für diese Aussagen die Einschränkung, dass nicht alle Quellen von CO2-Emissionen und auch keine anderen Treibhausgase berücksichtigt wurden. Es sei schwierig, für so etwas aktuelle und verlässliche Werte zu erhalten, besonders aus Entwicklungsländern, sagte Olivier. Insofern stellen die MNP-Berechnungen nur einen Ausschnitt der Emissions-Realität dar, wenngleich einen entscheidenden.

Mehr Energie aus dreckigen Kraftwerken

Am gestrigen Dienstag hatte der stellvertretende BP-Chefvolkswirt Christof Rühl aus dem Bericht seines Konzerns zitiert: Die rasante Wirtschaftsentwicklung in den Schwellenländern habe den weltweiten Kohleverbrauch stark ansteigen lassen. Verantwortlich dafür sei vor allem China, das seinen Energiehunger mit billiger einheimischer Kohle stille. Als Folge sei der globale CO2-Ausstoß in den vergangenen fünf Jahren - also 2001 bis 2006 - um 3,4 Prozent jährlich gestiegen. Das sei eine Verdreifachung der Zunahme im Vergleich zur vorherigen Fünfjahresperiode.

Besonders beunruhigend bei der jüngsten Entwicklung: Die Daten im Weltenergiebericht von BP zeigen, dass die CO2-Emissionen zur Zeit stärker steigen als der Primärenergieverbrauch - die zuletzt für den Klimaschutz oft beschworene Energieeffizienz also sinkt. Hauptgrund dafür sei unter anderem die schmutzige Verbrennung in den Kraftwerken der Schwellenländer, so die BP-Studie. Auch hier habe China wieder den größten Anteil. Dieser Trend sei erst seit etwa 2001 zu beobachten. In den siebziger, achtziger und neunziger Jahren sei noch kontinuierlich weniger CO2 pro Energieeinheit ausgestoßen worden.

Solche mittel- und langfristigen Entwicklungen sind für Wirtschaftsexperten und Klimaschützer wichtiger als die Frage, wann genau ein Land ein anderes beim CO2-Ausstoß überholt hat. Im Frühjahr hatte IEA-Wissenschaftler Birol nach der Vorstellung seiner eigenen Schätzung dem Magazin "New Scientist" gesagt: "Das Hauptproblem sind die langfristigen Aussichten. Im Jahr 2030 werden die Emissionen Chinas doppelt so schnell wachsen wie die Emissionen aller OECD-Länder zusammengenommen."

stx/AFP/dpa

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