Keime im Trinkwasser Der Feind in meiner Wasserleitung

Wasserhahn mit Trinkwasser (Archivbild): Nach dem Urlaub mal laufen lassen
Foto: Michael Probst/ APEs klingt gruselig, aber unser Trinkwasser ist voller Bakterien - allein in einem Glas befinden sich etwa zehn Millionen davon. Das muss nicht schlecht sein, auf die Art der Keime kommt es an. Neben den harmlosen Mikroben kommt es immer wieder zu Infektionen durch Legionellen oder Darmkeimen - etwa 2013 in Warstein mit 160 Fällen. Besonders die Legionellenkrankheit kann gefährlich werden. Sie verläuft grippeähnlich und kann schwere Lungenentzündungen hervorrufen - in Warstein gab es zwei Todesfälle.
Das Problem kann durchaus in den eigenen vier Wänden entstehen. Am hauseigenen Wasserzähler kommt dann sauberes Wasser an, das durch die Rohre im Gebäude verunreinigt wird. Wie sich so etwas vermeiden lässt, haben Wissenschaftler der schwedischen Lund Universität untersucht. Sie analysierten für eine Studie sogenannte Biofilme aus Wasserleitungen und -zählern. Die Vielfalt in diesen Keimkolonien ist größer als bisher angenommen, folgern die Forscher aus ihren Untersuchungen.
Die meisten Bakterien schwimmen nicht frei im Trinkwasser herum. Mehr als 95 Prozent von ihnen sitzen als dünne Schicht innen auf der Oberfläche von Wasserleitungen und -zählern. Sie bilden den Biofilm, eine symbiotische Lebensgemeinschaft aus Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen oder Algen. Sie nutzt die Stoffwechseleigenschaften und Schutzmechanismen der jeweils anderen Spezies. So sind die Mikroorganismen widerstandsfähiger und können Nährstoffe aus der Umwelt besser aufnehmen.
Biofilme, die Entscheider über sauberes Wasser
Enthalten Biofilme schädliche Bakterien, können diese das Wasser verunreinigen oder Geschmack, Farbe und Geruch beeinflussen. Ihre genaue Zusammensetzung ist bisher noch nicht gut untersucht. Die Forscher stellten nun fest, dass Biofilme mehr verschiedene Bakterienarten enthalten, als bisher bekannt - mindestens ein paar Tausend. Daher könnten sie eine größere Rolle spielen als bisher angenommen und entscheidend zur Sauberkeit des Wassers beitragen.
"Wir vermuten, dass es gute Bakterien gibt, die helfen, unser Wasser sauber zu halten - ähnlich dem, was in unserem Darm passiert", sagt Forscherin Catherine Paul. Mithilfe von Präbiotika und anderen Nährstoffen können wir beispielsweise die Funktion unseres Darms beeinflussen. "Wir hoffen, dass wir irgendwann die Zusammensetzung der Bakterien im Wasser ähnlich beeinflussen und die Wasserqualität kontrollieren können, indem wir das Wachstum der guten Bakterien anregen."
Doch diesen Wunsch sehen andere Forscher kritisch: "Das halte ich für schwierig", sagt Hans-Curt Flemming, ehemaliger Institutsleiter des Biofilm Centre der Universität Duisburg Essen. Die Zusammensetzung eines Biofilms in einem offenen System, wie es unsere Wasserversorgung ist, lasse sich nicht so einfach steuern. Biofilme seien sehr komplex und an jeder Ecke der Leitung anders zusammengesetzt. "Nährstoffe, die man dem Wasser zugibt, haben sich meist auch als gutes Futter für die schon angesiedelten Mikroorganismen erwiesen."
Das sieht auch Manfred Höfle vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung so. "Man kann natürlich versuchen, eine Substanz zu finden, die unerwünschten Bakterien die Nährstoffgrundlage entzieht", sagt er. "Allerdings muss diese dann auch für den Menschen gut verträglich sein." Dies zu testen, sei aufwendig und teuer. In der Vergangenheit habe man eher daran gearbeitet, das Trinkwasser von Substanzen zu befreien, die sich irgendwann als schädlich für den Menschen herausgestellt haben - wie Nitrat oder Phosphat.
Besser wenig Nährstoffe statt Chlor
Aber wie reguliert man dann am besten die Bakterienpopulation? "Man muss die Bedingungen in den Leitungen steuern", sagt Flemming. Die Zusammensetzung der Biofilme hängt von vielen verschiedenen Parametern ab, wie der Wassertemperatur, dem pH-Wert, dem Chlorgehalt sowie der Zeit, in der sie sich entwickeln konnten. Von manchen Oberflächen, wie beispielsweise Gummidichtungen, beziehen bestimmte Bakterien womöglich auch Nährstoffe.
"Man muss schauen, wo sich schädliche Bakterien vermehren können und dann die Umgebung entsprechend verändern", so Flemming. Wasserversorger halten das Wasser vor allem nährstoffarm. Die harmlosen Bakterien im Trinkwasser sind an ein solches Milieu angepasst. Darmbakterien hingegen sind beispielsweise mehr Nährstoffe gewohnt. Befinden sie sich im Wasser, sorgt die Nährstoffknappheit dafür, dass sie absterben. "Das ist eine bessere Strategie als beispielsweise in den USA, wo das Wasser gechlort wird", sagt Flemming.
Um gefährlichen Bakterien die Nährstoffe zu entziehen, sollte man etwa bei der Erneuerung und Installation von Leitungen auf die richtigen Teile achten. Welche das sind, regeln laut Höfle in Deutschland entsprechende Verordnungen. "Einfach daran halten und beim Leitungsbau nicht sparen", ist sein Tipp.
Ungeeignete Materialien sind etwa verzinkte Stahlleitungen beim Warmwasser oder nicht zertifizierte Kunststoffe in Rohren oder Schläuchen. Warmwasserspeicher sollten regelmäßig gewartet werden, um Kalk- und Schlammablagerungen gering zu halten. "Die Wasserzähler sind in diesem Zusammenhang interessant, weil in ihren Biofilmen Krankheitserreger oder Fäkalindikatoren sein können, die das ganze nachfolgende Netz kontaminieren können", sagt Flemming. "Bei den jüngsten Fällen waren es die Hersteller, die bei Dichtigkeitsprüfungen kein keimfreies Wasser verwendet hatten und somit verkeimte Wasserzähler geliefert haben."
Der beste Rat für Zuhause bleibt: Wasser verbrauchen und ab und zu auch mal heiß aufdrehen. Steht Wasser zu lange in den Leitungen, können sich unerwünschte Bakterien leichter vermehren. Deshalb sollte man vor allem nach dem Urlaub das Wasser für einige Zeit ablaufen lassen. Das heiße Wasser sollte beim Ablaufen nach etwa drei Litern mindestens 55 Grad erreichen und das Kaltwasser 25 Grad nicht überschreiten. Der Einbau von Filtern gehört nicht zu den empfohlenen Maßnahmen.