Folgen von Hitze und Pandemie Warum eine Gemeinde wegen Corona kein Wasser mehr hatte

Ein Feuerwehrmann in Lauenau zapft Wasser an einem Löschfahrzeug
Foto: Moritz Frankenberg/ dpaMan kann das Problem im Prinzip in einem Satz beschreiben: Oben läuft, so sagt es zumindest Georg Hudalla, genau so viel rein wie immer - aber unten läuft deutlich mehr als sonst heraus.
Die niedersächsische Gemeinde Lauenau im Landkreis Schaumburg ist seit Tagen in den Schlagzeilen der lokalen Medien . Das liegt daran, dass dort zuletzt das Trinkwasser bedenklich knapp geworden ist. An den wohl heißesten Tagen des Jahres sorgen solche Nachrichten für Aufsehen. Draußen fast 40 Grad und drinnen nur ein Röcheln aus dem Wasserhahn, das mag sich niemand gern vorstellen.
Doch genau diese Situation drohte – und droht im Prinzip immer noch – den 4000 Einwohnern des südwestlich von Hannover gelegenen Flecken Lauenau. Wenngleich ein Teil von ihnen dafür wohl auch mitverantwortlich ist.
"Bis auf ganz wenige Ausnahmen konnte immer Wasser entnommen werden", beteuert Hudalla, der parteilose, von der CDU unterstützte Bürgermeister der Samtgemeinde Rodenberg im Gespräch mit dem SPIEGEL. Früher war er im Bankgeschäft, später als Vater von fünf Kindern Hausmann. Nun ist er bis zum Ende seiner Amtszeit im kommenden Jahr auch als Wassermanager gefragt.
Die drei Hochbehälter der Wasserversorgung von Lauenau seien zwischenzeitlich komplett leer gewesen, beschreibt er. "Wir haben seit Mitte der Woche einen sehr hohen Wasserverbrauch gehabt." In Lauenau passiert nämlich gerade etwas, das auch in vielen anderen Teilen Deutschlands ganz ähnlich abläuft: Im Zuge der Corona-Pandemie verbringen Menschen nicht wie sonst irgendwo in der Ferne ihre Ferien, sondern zu Hause. Und da verbrauchen sie Wasser. Viel Wasser.
Poolhersteller freuen sich
"Sehr viele sind im Urlaub, aber nicht verreist", sagt Bürgermeister Hudalla. Im konkreten Fall heißt das: Man ist im Garten. Dort wollen dann aber an heißen Tagen wie jetzt nicht nur Rasen, Blumen und Gemüse bewässert werden. Immer mehr Menschen haben sich auch einen eigenen Pool zugelegt. Und der will gefüllt werden.
So hat das Unternehmen Riviera Pool aus dem emsländischen Geeste zuletzt massiv gestiegene Verkaufszahlen gemeldet . Besonders erfreulich habe sich das Geschäft bei den sogenannten Kompaktpools entwickelt. Das seien kleine Schwimmbecken von etwa zwei mal vier Metern zum Preis von 15.000 bis 20.000 Euro. Davon würden aktuell fast doppelt so viele wie üblich bestellt.
Zwei mal vier Meter - bei einer Wassertiefe von anderthalb Metern sind das 12.000 Liter Wasser.
Konkrete Zahlen werden nicht genannt
Der Traum vom eigenen Pool, um im nervigen Corona-Jahr zumindest etwas Angenehmes zu haben - auch deswegen ist in Lauenau zuletzt das Wasser so knapp geworden, dass die Feuerwehr Brauchwasser mit Tankwagen zu öffentlichen Abgabestellen im Gemeindegebiet bringen musste. Damit überhaupt noch etwas da war, zum Beispiel für die Toilettenspülung.
Das mehr oder weniger kühle Nass in den Tanks der Feuerwehr, sagt der Bürgermeister, stamme aus dem Ablauf der Kläranlage oder aus dem kleinen Bach im Ort. Als Brauchwasser sei es gut zu verwenden, als Trinkwasser nicht. Das sollten sich die Bewohner zwischenzeitlich im Supermarkt kaufen.
Inzwischen werde deutlich weniger Trinkwasser aus dem Netz entnommen, sagt Hudalla. "Wir haben die Verbrauchsspitzen auf ein Drittel zurückgefahren." Versorgungsengpässe gebe es daher aktuell nicht.

Temperaturanzeige auf dem Hof der Freiwilligen Feuerwehr in Lauenau
Foto: Moritz Frankenberg/ dpaWie viele Kubikmeter genau verbraucht wurden und werden, welche Wassermenge aktuell in den Speichern ist, das will die Gemeinde lieber nicht konkret beziffern. Womöglich auch aus Angst, dass Menschen im Angesicht konkreter Zahlen aus Angst vor Wasserknappheit – sicher ist sicher – noch ein paar Vorräte anlegen könnten. Damit würde sich der Gesamtverbrauch wieder erhöhen.
Drei Hochbehälter, alle waren leer
Das Trinkwasser von Lauenau stammt aus dem Deister, einem bis zu 400 Meter hohen, bewaldeten Berggebiet. Drei Brunnen auf der westlichen Seit des Areals fangen das Niederschlagswasser auf, das aus oberflächennahen Schichten des Waldbodens kommt. Im Sommer fällt natürlich weniger an als zum Beispiel zur Schneeschmelze. Doch das ist im Prinzip in jedem Jahr so.
Von den Brunnen strömt das Wasser in drei Hochbehälter. Und die waren zuletzt eben leer. Nun füllen sie sich langsam wieder, weil die Menschen des Ortes ihren Wasserverbrauch zeitweise eingeschränkt haben. Dass der Verbrauch aktuell nur bei einem Drittel liege, werde sich aber wieder ändern, sagt Hudalla. "Das werden wir nicht durchhalten." Langfristiges Ziel sei eine Halbierung des Wasserverbrauchs.
Feuerwehr warnte per Lautsprecher
Wie es gelungen sei, die Menschen vom Wassersparen zu überzeugen? Mit Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr , mit Bitten der Verwaltung im Radio und durch den ländlichen Buschfunk im persönlichen Gespräch: "Die stille Post funktioniert."
Gestern, 7.8.2020: An 342 DWD-Stationen wurde ein 'Heißer Tag' beobachtet, d.h. die Maximaltemperatur hat 30°C oder mehr erreicht (Quelle der Karte: https://t.co/SCKkzgs07f #DWDCDC) pic.twitter.com/hXqgJJMuJO
— DWD Klima und Umwelt (@DWD_klima) August 8, 2020
Tatsächlich haben in der aktuellen Hitzewelle auch an einigen anderen Orten Deutschlands die Wasserversorger ihre Kunden aufgefordert, sparsam mit dem Trinkwasser umzugehen. Weil der Niederschlag fehlt und gleichzeitig viel verbraucht wird, sind zum Beispiel auch im südhessischen Nieder-Beerbach im Landkreis Darmstadt-Dieburg die Trinkwasserspeicher leer gelaufen . Im mittelhessischen Merenberg im Landkreis Limburg-Weilburg warnen die Verantwortlichen vor einer "alarmierenden Wasserknappheit" . Und die Versorger der Orte Kronberg, Oberursel und Steinbach haben ihre "Trinkwasser-Ampeln" von gelb auf rot umgestellt .
Neue Strategien für das Gewässermanagement nötig
Kurzfristig werden sich die Probleme womöglich – wie in Lauenau – durch erzwungene Verhaltensänderungen der Menschen in den am stärksten betroffenen Orten und Regionen lösen lassen. Vielleicht können auch rechtlich bereits mögliche Bußgelder für die größten Wasserverschwender einen Beitrag leisten. Doch langfristig, sagen Experten, braucht es neue Strategien für das Gewässermanagement in Deutschland.
Jahrzehntelang habe man daran gearbeitet, Wasser möglichst schnell aus den Bodenflächen herauszubringen. Doch nun müsse es darum gehen, es in der Landschaft zu halten und Fließgewässern mehr Raum zu geben, erklärte kürzlich etwa die Deutsche Bundesstiftung Umwelt.