»1900 Jahre lang ununterbrochen genutzt« Riesige unterirdische Stadt in der Türkei entdeckt

Ausgegraben: Arbeiten in den Höhlen von Midyat
Foto: Halil Ibrahim Sincar / Anadolu Agency / Getty ImagesBeim Aufräumen wurde das Tor zur Unterwelt entdeckt: Was vor zwei Jahren mit dem Projekt begann, die historischen Straßen und Häuser der Altstadt von Midyat im Südosten der Türkei zu säubern und zu konservieren, führte zu einem spektakulären Fund der Archäologie. Von einer bei diesen Arbeiten gefundenen Höhle aus haben Archäologen ein Netz aus Korridoren ausgegraben und so eine gewaltige unterirdische Stadt freigelegt, berichtet die englischsprachige Zeitung »Daily Sabah« .

Archäologen bei der Arbeit in Matiate
Foto: Halil Ibrahim Sincar / Anadolu Agency / Getty ImagesDemnach wurden Betstätten, Silos, Wasserquellen und etliche Verbindungen zu weiteren Räumen gefunden. In dem Höhlennetz fanden sich auch etliche Gegenstände, die auf das 2. und 3. Jahrhundert nach Christus datiert wurden. Der Fundort wurde Matiate genannt, nach dem alten assyrischen Namen der Stadt Midyat nahe der syrischen Grenze. Wissenschaftliche Studien dazu scheinen bislang noch nicht vorzuliegen.
»Matiate wurde 1900 Jahre lang ununterbrochen genutzt«, erklärte Ausgrabungsleiter Gani Tarkan, der Direktor des Museums in der Provinzhauptstadt Mardin. »Es wurde zuerst als Versteck oder Zufluchtsort gebaut.« Noch sei nur ein kleiner Teil der Höhlen freigelegt, die Ausgrabungen sollten unter der gesamten Altstadt fortgesetzt werden. »Wir schätzen, dass in dem Gebiet mindestens 60.000 bis 70.000 Menschen unter der Erde lebten.« Damit wäre die Kellersiedlung annähernd so groß wie die moderne Stadt oben.

Höhleneingang in der Altstadt von Midyat
Foto: Halil Ibrahim Sincar / Anadolu Agency / Getty ImagesHochburg der Assyrer
In Anatolien seien zwar schon viele Untergrundstädte entdeckt worden, darunter der über acht Stockwerke reichende Komplex Derinkuyu in der Region Kappadokien. Aber keine dieser Städte gleiche den Dimensionen von Matiate, so Tarkan. Er verwies darauf, dass sich Christen während der Frühzeit oft in Höhlen vor Verfolgung durch die römische Herrschaft versteckten.
Auch das oberirdische Midyat, ebenso wie das umliegende Hochland, ist voller Zeugnisse der christlichen Kultur, weil dort bis ins 20. Jahrhundert die Minderheit der Assyrer dominierte. 1915 wurde ein großer Teil der assyrischen Bevölkerung Opfer des Massenmords und der Vertreibung unter dem mit Deutschland verbündeten Osmanischen Reich. Während der Türkischen Republik wurde die Stadt wieder vor allem von Assyrern besiedelt, doch ab 1979 floh die Mehrheit der Christen wegen des Konflikts mit den Kurden und dem türkischen Staat. Heute beherbergt Midyat zwar auch christliche Geflüchtete aus Syrien, zugleich sieht sich aber die syrisch-orthodoxe Kirche von der türkischen Führung bedrängt. Der Verweis auf die Frühgeschichte ist deshalb politisch heikel.
Die als dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nahestehend geltende »Daily Sabah« schreibt, nach einer vollständigen Ausgrabung von Matiate werde mit einem erheblichen Zustrom an Touristen in die Altstadt von Midyat gerechnet.