Überraschungsfund Geheimnotizen Isaac Newtons entdeckt

In den Tiefen ihrer Bibliothek hat die Londoner Royal Society ein verschollen geglaubtes Manuskript Isaac Newtons gefunden. Der große Physiker beschäftigt sich auf 22 Seiten mit einer aus heutiger Sicht bizarren Kunst: der Alchemie.

London - Isaac Newton war eines der großen Genies der Geschichte. Der Physiker, Mathematiker, Astronom und Philosoph gilt als einer der Begründer der modernen Wissenschaft. In seiner berühmten Schrift über die mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie ("Philosophiae Naturalis Principia Mathematica") beschrieb Newton die Gravitation und die drei Bewegungsgesetze, auf denen die klassische Mechanik fußt. Außerdem entdeckte er unabhängig von Leibniz die Grundlagen der Differenzial- und Integralrechnung.

Zugleich aber war Newton (1643 bis 1727) ein lebender Beweis für die Tatsache, dass die Grenze zwischen Naturforschung und Aberglaube im 17. und 18. Jahrhundert noch fließend war. Denn der große Physiker beschäftigte sich nicht nur mit mathematischen Gleichungen, sondern auch mit der Alchemie.

Das beweist jetzt einmal mehr ein Manuskript Newtons, das als verschollen galt, seit es 1936 bei einer Auktion bei Sotheby's für 15 Pfund den Besitzer wechselte. Mitarbeiter der Royal Society haben die 22-seitige Handschrift Newtons, der einst Präsident der englischen Wissenschaftsakademie war, jetzt bei der Katalogisierung ihrer Bibliothek gefunden.

Manuskriptseite elektrisiert Wissenschaftler

Ein Großteil des Textes besteht aus Notizen Newtons zu Arbeiten anderer Alchemisten. Eine Manuskriptseite aber elektrisiert die Forscher: In wenigen Sätzen äußert Newton darin eigene Überlegungen zu der Geheimwissenschaft, die sich unter anderem mit der Verwandlung unedler Metalle in Gold und der Schaffung künstlicher Lebewesen wie Basilisken und Homunculi befasste.

Alchemistische Texte bergen allerdings ein Problem: "Alchemisten haben untereinander eine symbolhafte, codierte Sprache benutzt", erklärt Tim Watson, Sprecher der Royal Society, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Damit wollten sie sicherstellen, dass kein Unbefugter ihre Experimente wiederholen kann." Eine Rolle spielte auch die Tatsache, dass die Herstellung von Silber und Gold seit einem Gesetz von König Heinrich IV. aus dem Jahr 1404 als Straftat galt.

Obwohl Newton die Notizen in englischer Sprache verfasste, ist deshalb unklar, was genau er sagen wollte. Ob es jemals eine präzise Interpretation geben wird, ist nach Angaben der Royal Society derzeit offen. SPIEGEL ONLINE zeigt Auszüge aus der Handschrift.

Die britischen Historiker sind dennoch begeistert von der Entdeckung. "Das ist ein ungeheuer aufregender Fund für Newton-Forscher und Wissenschaftshistoriker im Allgemeinen", sagte John Young vom Newton- Projekt des Imperial College in London. "Er gibt wichtige Hinweise darauf, welche alchemistischen Autoren Newton gelesen und welche alchemistischen Theorien er in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts erforscht hat."

Newton war bei weitem nicht der einzige Gelehrte seiner Zeit, der glaubte, mit Hilfe der Alchemie wahre Wunderdinge vollbringen zu können. Mit dem Naturwissenschaftler Robert Boyle etwa, einem Mitbegründer der modernen Physik und Chemie, tauschte sich Newton regelmäßig über die Alchemie aus. "Newton verbrachte einen bedeutenden Teil seiner Zeit mit alchemistischen Methoden", sagte Watson. "Das jetzt gefundene Manuskript erlaubt neue Einblicke in diesen Teil seines Lebens und bestätigt bisherige Annahmen."

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