Unberührt im Sand Verschütteter Wehrmachtsbunker in Dänemark entdeckt

Sensationsfund in Dänemark: Unter dem Sand der Nordseeküste haben Forscher einen Wehrmachtsbunker aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden - unversehrt, mit Möbeln und Uniformresten. SPIEGEL ONLINE sprach mit einem ehemaligen Soldaten, der bis Kriegsende in dem Bau stationiert war.

Der Untergang des Deutschen Reichs verlief nicht überall so blutig und dramatisch wie in Berlin, im Ruhrgebiet oder anderen umkämpften Gebieten. Verglichen mit dem, was die Bewohner der Hauptstadt zu ertragen hatten, ging es an der dänischen Westküste geradezu beschaulich zu. "Feindberührung hatten wir nicht", sagt Gerhard Saalfeld. "Hin und wieder schleppte ein Fischkutter ein Floß mit Aufbauten aufs Meer, damit wir Schießübungen veranstalten konnten."

Jetzt wurde der Bunker, in dem der damals 18-Jährige als Kanonier stationiert war, wiederentdeckt - und gilt als Sensation unter den mehr als 5000 Wehrmachtsbunkern, die während des Zweiten Weltkrieges als Teil des Atlantikwalls an Dänemarks Nordseeküsten gebaut wurden. Was in der Nähe von Ringkøbing ans Tageslicht gekommen ist, lässt selbst an alte Wehranlagen gewöhnte Dänen staunen: 63 Jahre schlummerte der Bunker unversehrt unter dem Sand, ehe er in den vergangenen Wochen vom Wind freigelegt wurde.

"Der Treibsand muss ihn nach Kriegsende binnen kürzester Zeit zugeweht haben", sagt Jens Andersen, Chef des nahe gelegenen Museumscenters Hanstholm. "Es ist phantastisch. Ich hätte nie gedacht, dass so was möglich ist." Noch nie sei ein so gut erhaltener Bunker in Dänemark gefunden worden.

Vom Sand eingeschlossen

Nach viertägiger Arbeit ist der Mannschaftsbunker (Typ "Regelbunker 501"), der auf rund 20 Quadratmetern zehn Soldaten beherbergte, nunmehr komplett freigelegt. Was hinter den zwei Meter dicken Betonwänden war, hat der Sand wie in einer Zeitkapsel erhalten: "Unter einem Bett stand ein Stiefel, auf dem Tisch lagen noch Schraubenschlüssel und Teile der demontierten Telefonanlage", sagt Andersen zu SPIEGEL ONLINE. "Allerdings sind davon nur noch rostige Metallklumpen übrig." Erhalten geblieben sind einige Briefmarken, die vom trockenen Sand umschlossen wurden. Auch Tintenflaschen und Uniformreste fanden die Ausgräber vor.

"Insgesamt bekommt man den Eindruck, dass der Bunker abrupt verlassen werden musste", meint Andersen. Saalfeld bestätigt das. "Am 5. Mai 1945 haben die deutschen Truppen in Dänemark kapituliert", sagt der 81-Jährige SPIEGEL ONLINE. "Wir mussten innerhalb von drei Tagen unseren Stützpunkt räumen." Die fünf 10,5-Zentimeter-Geschütze der Heeres-Küstenbatterie 5/180, zu der Saalfeld gehörte, mussten zurückgelassen werden. "Wir konnten nur unsere Handfeuerwaffen und die nötigste Ausrüstung mitnehmen."

Wie der Bunker so schnell vom Sand verschluckt werden konnte, können die Forscher bisher nur vermuten. Ein Foto zeigt einen der Bunker der Küstenbatterie teilweise von Sand bedeckt - im September 1945, nur vier Monate nach Kriegsende. "Der Sand wandert hier sehr schnell", sagt Andersen.

Auch das Meer könnte eine Rolle gespielt haben. "Im Inneren ist erkennbar, dass der Bunker einen Meter tief unter Wasser stand", so der Archäologe. "Möglicherweise hat es kurz nach Kriegsende eine Sturmflut gegeben." Das aber sei bisher nur eine Theorie, die es anhand historischer Wetterdaten zu überprüfen gelte. Als die Ausgräber den Bunker jetzt öffneten, mussten sie immer noch durch eine 20 bis 25 Zentimeter tiefe Brühe aus Sand, Schlamm und Salzwasser waten. Auf einer verschmierten Kommandotafel sind noch Worte erkennbar.

Salzwasser ließ Möbel vermodern

Obwohl die Möbel und Metallgegenstände nur noch Schrott sind, ist Andersen von dem Bunker fasziniert. "Alte Fotos haben uns eine generelle Vorstellung davon gegeben, wie es im Inneren dieser Mannschaftsbunker ausgesehen hat", so der Forscher. "Aber es ist etwas ganz anderes, mittendrin zu stehen und das gesamte Umfeld vor sich zu haben."

Der Bunker ist einer von mehr als 8000, die für Hitlers größenwahnsinnigem Plan vom "Atlantikwall" zwischen 1942 und 1944 aus dem Boden gestampft wurden. Auf knapp 2700 Kilometern Länge sollten die waffenstarrenden Bunker die Küsten an Nordsee, Atlantik und Ärmelkanal vor einer alliierten Invasion schützen. Der Museumscenter Hanstholm  etwa wurde auf einer gewaltigen Festungsanlage aufgebaut, die unter anderem mit vier 38-Zentimeter-Kanonen bestückt war.

Doch die Wirkung des Schutzwalls blieb schon wegen seiner geringen Verteidigungstiefe beschränkt: Hatten die Angreifer die erste Linie am Strand erst einmal durchbrochen, stand ihnen der Weg ins Hinterland meist nahezu frei, wie sich bei der Invasion der Alliierten in der Normandie zeigte. Am Ende des "D-Day", dem ersten Tag der Invasion am 6. Juni 1944, waren die deutschen Stellungen an den französischen Stränden bereits in den Händen der Alliierten.

Dem in Dänemark stationierten Saalfeld blieb die Erfahrung eines alliierten Großangriffs erspart. Die Entdeckung seines früheren Stützpunkts hat ihn dennoch nicht kalt gelassen. "Nach 63 Jahren diese Fotos zu sehen", sagt er, "ist schaudererregend".

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