Blockade bei Uno-Klimatagung Jetzt wird es teuer

Taifun-Katastrophe auf den Philippinen: Industriestaaten sollen für künftige Schäden durch den Klimawandel zahlen
Foto: Dondi Tawatao/ Getty ImagesIn der Nacht entglitt dem Verhandlungsführer der Uno-Klimakonferenz in Lima, Manuel Pulgar-Vidal, plötzlich die Kontrolle. Stundenlang diskutierte der peruanische Umweltminister mit den Delegationsführern von China und Indien, suchte nach Formulierungen, Kompromissen und Verständnis.
Vor der Tür warteten Dutzende von Delegationschefs, um ebenfalls gehört zu werden. EU-Verhandlungschef Miguel Arias Cañete, ein früherer Ölmanager, drohte nach zweistündiger Wartezeit zu explodieren. Vertreter der Entwicklungsländer, die sich nicht angehört wähnten, waren ähnlich zornig.
Derart unter Druck brach Pulgar-Vidal die Gespräche am frühen Morgen ab. Wieder einmal haben sie sich in der Schlussrunde einer Klimakonferenz heillos verhakt. Ein Treffen, das ja eigentlich den entscheidenden Schritt leisten sollte zum Klima-Gipfel in einem Jahr in Paris. Wieder einmal feilschten sie um Forderungen, Fristen und Formulierungen.
In Paris soll einigermaßen verbindlich festgeschrieben werden, wie die Welt ab 2020 die Klimaerwärmung abbremst. Noch war das Abschlussdokument am Samstagabend nicht mehrheitsfähig. Im Kern stritten die Delegationen auf der Zielgeraden um zwei Themen, wie sie gewichtiger kaum sein könnten: um die Weltordnung und ums Geld.
Protest der Gleichgesinnten
Es ist der alte Konflikt. Da sind die alten Industrieländer, vornehmlich aus Europa und Nordamerika, die schon jetzt die verschiedenen Fonds mit beträchtlichen Beträgen füllen. Und da sind viele andere Gruppierungen, etwa die Gruppe 77 (130 Staaten, vor allem aus Afrika, Lateinamerika und Südostasien), angeführt von China. Die Inselstaaten (Karibik, Südsee) haben sich genauso zusammengeschlossen wie die Schwellenländer (Brasilien, Mexiko, Südafrika, Russland).
Und dann gibt es noch die sogenannten gleichgesinnten ("like minded") Staaten, mehr als 30 Länder, ebenfalls angeführt von China, oder die Gruppe der afrikanischen Staaten. Viele unterschiedliche Interessen also, in verschiedenen Gruppierungen sortiert.
Die Kunst der Konferenzführung bestand darin, all diese Interessen, die vielfältig auseinanderdriften, unter einem Schirm und in einem gemeinsamen Text zu versammeln. Schwierig genug, aber letztlich konzentrierte sich die Auseinandersetzung auf zwei Kernfragen.
- Erste Frage: Gilt die alte Ordnung noch, wonach die Industrieländer erstens den Klimawandel mit ihrer opulenten Wirtschaftsweise maßgeblich zu verantworten haben, während die Entwicklungsländer, kolonial unterdrückt und zu spät in die Verantwortung entlassen, nach wie vor als Opfer zu betrachten sind? Oder machen sich die Entwicklungsländer mit ihrem Hunger nach Wachstum und steil steigenden Energieausgaben nicht längst mitschuldig am Wandel des Klimas?
- Zweite Frage: Soll die bisherige Gepflogenheit Bestand haben, wonach ausschließlich die reichen Länder Verantwortung übernehmen und all die Fonds füllen, die den früheren Entwicklungsländern helfen, sich an den Klimawandel anzupassen und ihre Energieversorgung umzustellen?
Wohlhabende Entwicklungsländer
Nein, sagten die EU und die USA in aller Entschiedenheit. Die alte Ordnung könne keine Gültigkeit mehr haben. "Es gibt inzwischen eine ganze Reihe wohlhabender Entwicklungsländer", sagt Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth, Verhandlungsführer der deutschen Delegation, und deshalb seien auch die finanziellen Verpflichtungen in Zukunft differenzierter zu sortieren als in der Vergangenheit.
Länder wie Saudi-Arabien, Venezuela oder Mexiko, Malaysia oder Jordanien seien eigentlich nicht mehr als verarmte Entwicklungsländer zu betrachten. "Jeder soll einen Beitrag nach seinen Möglichkeiten leisten", hatte auch Umweltministerin Barbara Hendricks mehrfach wiederholt, bevor sie aus Lima abflog.
Doch dies in Vertragsform zu gießen war den Entwicklungsländern, versammelt in der G77 und angeführt von China, zuwider. Sie stemmten sich auch gegen eine Festschreibung, ihre CO2-Minderungspotenziale offenzulegen oder gar einer internationalen Bewertung zu unterwerfen.
Stattdessen riefen sie nach höheren Beiträgen von den Industrieländern. Die zehn Milliarden Dollar, die innerhalb weniger Wochen im Klima-Anpassungsfonds zusammengekommen sind, erscheinen ihnen zu wenig. Sie würden nicht über Minderungsziele reden, wenn nicht gleichzeitig über mehr Mittel verhandelt werde, die die Anpassung an den Klimawandel ermöglichen, sagten kollektiv die afrikanischen Staaten.
"Wir sind enttäuscht"
"Wir sind enttäuscht", sagte auch der indische Umweltminister Prakash Javadekar, "das sind doch lächerliche Beträge." Zwischen 2011 und 2013 hätten die Industrieländer die Entwicklungsländer mit jeweils zehn Milliarden Dollar für Klimaprogramme unterstützt. Nun verspreche ein neu installierter grüner Klimafonds zehn Milliarden, über vier Jahre verteilt.
Ähnlich äußerte sich Ahmed Sareer, Chef-Unterhändler von den Malediven. "Es gab schon lange eine eindeutige Zusage von 100 Milliarden Dollar jährlich, und was wird uns jetzt angeboten? Wir sind von Klima- zu Klimakonferenz gepilgert, und jedes Mal gab es Zusagen, die Erwartungen wuchsen, aber in Wahrheit wurden die Lücken (zwischen Arm und Reich) immer größer."
Im Klartext: Die Entwicklungsländer, die heutigen und viele frühere, wollen Überweisungen. Und sie wollen konkrete Zusagen, wie die bereits zugesagten 100 Milliarden jährlich ab 2020 zusammenkommen sollen.
So war die eigentliche Botschaft von Lima schon vor dem Abschlussprotokoll klar: Vielleicht kommen die reichen Länder um die präzise Festschreibung ihrer künftigen Zahlungen vorerst noch herum, aber die Zukunft wird teuer werden.
Der Klimawandel wird die reichen Länder, die sich ihren Wohlstand dem Stand der Wissenschaft zufolge nicht zuletzt wohl auch auf Kosten des Weltklimas erarbeitet haben, viel mehr Geld kosten als nur die Energieumstellung und Anpassungsmaßnahmen zu Hause. Sie werden sich Zustimmung und Kooperation der armen Länder teuer erkaufen müssen.