Instinktives Verhalten des Menschen Geborene Helfer

Bei Geburt sind alle solidarisch, erst das Leben macht uns zu Egoisten: Experimente offenbaren, dass Menschen von Natur aus hilfsbereit zu sein scheinen - das zeigen impulsive Reaktionen.
Helfende Hände: "Primär impulsive Reaktion"

Helfende Hände: "Primär impulsive Reaktion"

Foto: Corbis

Washington/Hamburg - Menschen neigen von Natur aus zu selbstlosem Verhalten. Handeln aus eigenem Kalkül werde dagegen erst im Lauf des Lebens erlernt, vermutet ein internationales Forscherteam auf Basis einer Studie, die ursprüngliches Verhalten zu offenbaren scheint.

Forscher um den Psychologen Jack van Honk von der Universität Utrecht haben das Verhalten von Menschen mit einer seltenen Erbkrankheit untersucht, die ein Hirnareal schädigt, die Amygdala. Dieses Hirnareal von der Form und Größe eines Mandelkerns ist unter anderem für die Verarbeitung von Emotionen wie Vertrauen sowie für soziales und wirtschaftliches Handeln zuständig.

In den vergangenen Jahren hatten Studien mit Tieren darauf hingedeutet, dass zwei verschiedene Teile dieses Hirnareals völlig unterschiedliche Zuständigkeiten haben: Demnach steuert die basolaterale Amygdala (BLA) kalkuliertes Handeln, während die zentral-mediale Amygdala (CMA) für impulsgesteuertes gefühlsmäßiges Verhalten zuständig ist.

Um dies beim Menschen zu prüfen, untersuchten die Forscher Frauen mit dem Urbach-Wiethe-Syndrom (UWD), das die Amygdala schädigt und das in Südafrika besonders oft vorkommt. Menschen mit der seltenen Erkrankung haben zwar meist eine normale Intelligenz, jedoch Defizite bei der Verarbeitung von Emotionen wie etwa Angst.

Das ursprüngliche Verhalten

Bei den drei untersuchten Frauen war nur die basolaterale Amygdala verkalkt, dagegen war der zentral-mediale Teil der Hirnregion intakt. Die Forscher verglichen nun anhand eines Spiels das Verhalten der Teilnehmerinnen mit dem von zwölf gesunden Frauen ähnlichen Alters und vergleichbarer Intelligenz.

Bei dem Spiel erhielt jede Teilnehmerin einen Geldbetrag - zwölf Südafrikanische Rand (SAW). Davon konnte sie einem Partner einen beliebigen Betrag überlassen, der dann verdreifacht wurde. Ob und wie viel Geld der Partner ihnen danach abgab, blieb ihm überlassen.

Die Frauen mit dem Urbach-Wiethe-Syndrom gaben dem Sachwalter durchschnittlich gut neun Rand - doppelt so viel wie die Frauen aus der Kontrollgruppe. Tests zeigten aber, dass sie weder vertrauensseliger noch risikofreudiger waren als die anderen Teilnehmerinnen. Obwohl sie sich keinen höheren Gewinn versprachen, gaben sie ihren Partnern mehr Geld - offenbar aus einem Impuls heraus.

Die Forscher schließen daraus, dass die Schädigung der basolateralen Amygdala das Vermögen beeinträchtigt, aus Kalkül zu handeln. Stattdessen werde das ursprüngliche impulsive Verhalten gestärkt. "Unsere Resultate passen zu der Idee, dass eine primär impulsive Reaktion in Menschen darauf abzielen kann, zu helfen und zu kooperieren", schreiben sie   im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences". Dagegen werde kalkulierendes - also egoistisches - Verhalten erst im Lauf des Lebens erlernt.

boj/dpa
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