Mord in Verona Stadtherr von Verona starb an Fingerhut

Palazzo di Cangrande, Verona: Spuren der Digitalisglykoside Digoxin und Digitoxin im Leichnam des Stadtherren

Palazzo di Cangrande, Verona: Spuren der Digitalisglykoside Digoxin und Digitoxin im Leichnam des Stadtherren

Foto: Corbis

Forscher untersuchten die Mumie des Stadtherrn von Verona, Cangrande della Scala. Nach ihrer Analyse wissen sie: Wahrscheinlich fiel der Feldherr einem ehrgeizigen Konkurrenten zum Opfer.

Seine Feinde lachten sich schon ins Fäustchen. Cangrande della Scala, Stadtherr von Verona, war tot - und die Geschichtsschreiber hatten in ihren Büchern vermerkt, dass er wohl versehentlich seinen Durst aus einer verunreinigten Quelle gestillt haben müsse. Natürlich wurde auch über verabreichtes Gift gemunkelt - doch als offizielle Version seines Todes blieb die selbstverschuldete Vergiftung bestehen.

Damals, im Jahr 1329, konnten die Feinde Cangrande della Scalas noch nicht ahnen, dass 685 Jahre später ihr Verbrechen doch noch ans Licht kommen würde: Dank der anthropologischen Untersuchung einer Forschergruppe um Gino Fornaciari von der Universität Pisa, die im "Journal of Archaeological Science" veröffentlicht wurde.

Bereits im Februar 2004 hatten die Wissenschaftler den marmornen Sarkophag in der Kirche Santa Maria Antiqua in Verona geöffnet und der natürlich konservierten Mumie des Stadtfürsten Proben entnommen. Der Körper, berichten die Forscher, sei in hervorragendem Zustand gewesen. In den Haaren, in der Leber und im Kot, der im Darm des Toten noch erhalten war, suchten sie nach Indizien für die tatsächliche Todesursache.

Häufig und heftig habe Cangrande della Scala sich in den Tagen vor seinem Tod erbrechen müssen, begleitet von Durchfall und Fieber, vermerkten damals die Chronisten. Die Symptome ließen sich natürlich mit verunreinigtem Wasser erklären. Aber in den Stuhlproben des Stadtherrn fand sich etwas, das dort nicht hingehörte: Pollen vom Fingerhut (Digitalis purpurea).

Tod kam unerwartet

Die Forscher um Gino Fornaciari fanden in den Leberwerten die Bestätigung, dass der Stadtherr in seinen letzten Lebenstagen Fingerhut konsumiert hatte. Festgestellt wurden allerdings erhöhte Konzentrationen der beiden Digitalisglykoside Digoxin und Digitoxin, die nicht auf einen normalen Konsum zurückzuführen sind.

Die Pflanze wuchs im Mittelalter zwar in Klostergärten und wurde gelegentlich zu Heilungszwecken verabreicht. Doch die Mengen, die Cangrande della Scala vor seinem Tod geschluckt haben muss, sprechen entweder für einen dummen Arzt - oder Mord.

Aber auch echte Kamille (Matricaria chamomilla) und schwarze Maulbeere (Morus nigra) fanden die Forscher im Darm des toten Feldherrn. Diese Heilkräuter könnten ein Indiz dafür sein, dass Cangrande tatsächlich erkrankt war und Medizin zu sich nahm - unter die der giftige Fingerhut gemischt wurde. Denn noch kurz vor seinem Tod strotzte er vor Kraft - nur wenige Tage zuvor hatte er die Stadt Treviso eingenommen.

"Cangrande war gesund, trotz der großen physischen Belastung während der militärischen Unternehmungen der vorherigen zwanzig Jahre seines Lebens", schreiben die Forscher. "Die wahrscheinlichste Hypothese ist die bewusste Verabreichung einer tödlichen Dosis Fingerhut", schließen sie ihren Bericht. "Auch wenn das Gift in einem Trank versteckt war, der zusätzlich Kamille und schwarze Maulbeere enthielt und für eine Unpässlichkeit Cangrandes zubereitet worden war."

Nur vier Tage nach seinem Triumph in Treviso erlag Cangrande della Scala dem Gift. Wer konnte Interesse daran gehabt haben, den 38jährigen erfolgreichen Feldherrn aus dem Weg zu räumen?

Die Forscher haben entweder die Nachbarstaaten, die Republik Venedig oder die Signoria Mailand, im Verdacht. Beiden Städten kann bei Cangrandes Einnahme Trevisos nicht recht wohl gewesen sein. Doch auch sein ehrgeiziger Neffe, Mastino II., wäre ein möglicher Kandidat. Immerhin wurde er nach dem Tod seines Onkels gemeinsam mit seinem Bruder Alberto der neue Herr von Verona. Und einer der Ärzte, die Cangrande della Scala behandelt hatten, endete kurze Zeit später auf Befehl Mastinos am Galgen.

Wusste er vielleicht zu viel über Fingerhut und dessen Wirkung?

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