Victor McKusick Gründer der Medizingenetik gestorben

Er hat Gene kartiert, Erbkrankheiten erforscht, das Humangenomprojekt angestoßen: Nun ist Victor McKusick, Pionier der medizinische Genetik, in den USA gestorben. Er hinterlässt ein Lebenswerk, das der Wissenschaft noch lange dienen wird.

Als dieser langgliedrige Mensch vor ihm stand mit seiner schlechten Haltung und den dünnen, langen Fingern, nahm Victor McKusicks Leben eine Wende. Bislang hatte der Arzt als Herzspezialist gearbeitet. Doch die Begegnung mit dem Patienten, der unter dem sogenannten Marfan-Syndrom litt, einem genetisch bedingten Defekt des Bindegewebes, machte ihn neugierig. Die Genetik wurde zum Inhalt von McKusicks beruflichem Leben. Sie ließ ihn nicht wieder los bis zu seinem Tod am 22. Juli 2008.

"Wir haben einen Giganten verloren", sagte Edward Miller, Dekan der medizinischen Fakultät der Johns Hopkins University in Baltimore (US-Bundesstaat Maryland). "Er hat praktisch seine ganze unglaubliche Karriere am Hopkins verbracht, aber sein Einfluss und sein Vermächtnis erreichen die gesamte Welt."

McKusicks Erfolg spiegelt sich auch in einer Zahl wieder: 18.847 Einträge gab es an seinem Todestag in der Datenbank über menschliche Gene und deren Mutationen. Als McKusick das " Mendelian Inheritance in Man "-Projekt 1966 startete, waren es gerade mal 69. "Einige meiner Kollegen dachten, ich würde beruflichen Selbstmord begehen, weil ich als Kardiologe einen guten Ruf hatte und mich jetzt nur noch mit unwichtigen, seltenen Dingen beschäftigen würde", erinnerte sich McKusick Anfang dieses Jahres in einem Interview mit der Zeitung "The Sun" (Baltimore) an die Zeit seines Umbruchs.

Doch seine Pionierarbeit zahlte sich aus: 1969 war er einer der ersten, die sich wünschten, das menschliche Erbgut komplett zu entschlüsseln. Aus dieser Idee entwickelte sich das Humangenomprojekt, das sich zum Ziel machte, die Abfolge aller Basenpaare der menschlichen DNA zu identifizieren. 2001 erfüllte sich der Wunsch des Genetikers: Das menschliche Genom ist seitdem kartiert. Die gewaltige Datenbank soll auch dazu beitragen, die Erbanlagen für Krankheiten wie Krebs, Herz- und Kreislauferkrankungen oder Diabetes zu identifizieren und zu bekämpfen.

Zwei Gendefekte tragen McKusicks Namen

Doch es waren nicht die großen Volkskrankheiten, die den Forscher in ihren Bann zogen. McKusick beschäftigte sich viel mit seltenen Gendefekten, Krankheiten und Behinderungen. Er untersuchte kleinwüchsige Menschen und isoliert lebende Gruppen wie die Amische, eine christliche Religionsgemeinschaft in den USA. Heute tragen zwei Erkrankungen seinen Namen: der McKusick Typ der metaphysären Chondrodysplasie - eine Form des Zwergenwuchses, und das McKusick-Kaufman Syndrom, eine genetisch bedingte Störung, bei der Kinder mit überzähligen Fingern und Zehen zur Welt kommen und mitunter einen Herzfehler haben.

Zuhause traf der Arzt vermutlich auf Verständnis für seine Leidenschaft: Auch seine Frau Anne Bishop-McKusick, die Victor 1949 heiratete, war Ärztin. Sie arbeitete ebenfalls am Johns Hopkins Krankenhaus, als Internistin. Gemeinsam hatte das Paar zwei Söhne und eine Tochter.

Für seine Arbeit erhielt McKusick zahlreiche Auszeichnungen: Die größte Ehrung war vermutlich die US-Nationalmedaille der Wissenschaft, die er 2001 bekam. 1997 erhielt er den renommierten Albert-Lasker-Preis für Biomedizin, noch im April dieses Jahres wurde er in Tokio mit dem Japan-Preis für medizinische Genetik ausgezeichnet.

Auch im hohen Alter gab McKusick seine Leidenschaft für die Forschung nicht auf: Nachdem er 1985 Professor für medizinische Genetik am Johns Hopkins Krankenhaus geworden war, legte er diesen Posten erst 2007 nieder. Jeden Sommer gab er gemeinsam mit Kollegen einen zweiwöchigen Genetikkurs in Bar Harbor (US-Bundesstaat Maine). Die Fortbildung war besonders begehrt: Mehr als 4000 Studenten, Ärzte und Wissenschaftler folgten jedes Jahr gebannt den Ausführungen des Forschers und seiner Kollegen.

McKusick starb im Alter von 86 Jahren in Towson (US-Bundesstaat Maryland) an einem Krebsleiden.

Mit Material von dpa und AP

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