Christian Stöcker

Wahlen im Osten Es gibt ein Rezept gegen die AfD

Hunderttausende werden in Brandenburg und Sachsen für die AfD stimmen. Manche vielleicht wegen, viele aber trotz der wahren Ideologie der Partei. Das lässt nur eine Strategie zu.
Trauerspiel: AfD-Parteispitzen Andreas Kalbitz (v.l.), Jörg Urban und Björn Höcke im September 2018 in Chemnitz

Trauerspiel: AfD-Parteispitzen Andreas Kalbitz (v.l.), Jörg Urban und Björn Höcke im September 2018 in Chemnitz

Foto: John MacDougall / AFP

Dieses Bild sagt eigentlich alles zur AfD und den Wahlen im Osten. Es zeigt die erste Reihe des "Trauermarsches", zu dem die AfD für den 1. September 2018 in Chemnitz aufgerufen hatte. Nebeneinander trauermarschieren dort Andreas Kalbitz, Jörg Urban und Björn Höcke, die AfD-Spitzenkandidaten für Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Rechts dahinter (kein Witz) macht Pegida-Gründer Lutz Bachmann - Sie wissen schon, der, der Flüchtlinge manchmal "Viehzeug" nennt und deutsche Politikerinnern gern "standrechtlich erschossen" sähe - gerade ein Selfie. Vielleicht filmt er auch die Leute hinter sich, stolz auf dieses Bündnis.

AfD-Politiker Höcke, (2. v. l.), Pegida-Frontmann Lutz Bachmann (2. v. r.)

AfD-Politiker Höcke, (2. v. l.), Pegida-Frontmann Lutz Bachmann (2. v. r.)

Foto: Jens Meyer/ AP

Zu diesem Bündnis gehörten bekannte Nazis , zum Beispiel einer der führenden Köpfe der 2009 verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ). Bei einem geheimen "Lager" dieser rechtsextremen Organisation war 2007 auch Herr Kalbitz zu Gast. "Mutmaßlich", wie er selbst sagt, "um mir das mal anzuschauen". Ein erwachsener Mann, der über seine eigenen Motivationen nur Mutmaßungen anzubieten hat.

Hakenkreuzbanner am Balkon

2007 reiste Kalbitz mit polizeibekannten Nazis nach Athen, wo die Gruppe ein Hakenkreuzbanner an ihrem Hotelbalkon befestigte. Im Nachhinein, sagte Kalbitz dem SPIEGEL jetzt, sei der Nazi-Aufmarsch, zu dem die Gruppe anreiste, "nicht dazu angetan" gewesen, "mein weiteres Interesse oder Zustimmung zu wecken".

Mutmaßlich ohne Interesse und Zustimmung angeschaut hat Kalbitz sich im Verlauf der vergangenen 25 Jahre noch viele andere rechtsextreme Organisationen und Vereinigungen . Ein seltsames Hobby, das er irgendwie nicht im Griff zu haben scheint.

"Arier" sagen sie lieber nicht mehr

Kalbitz, Höcke und Urban stehen für die AfD-Landesverbände, die die besten Chancen auf Wahlergebnisse jenseits von 20 Prozent haben. Vor allem aber stehen sie für den wahren Kern der Partei.

Ideologisch ist man sich in diesen Kreisen völlig einig mit Nazis: Es gibt ein "deutsches Volk", und zwar ein genetisch definiertes. Es ist besser als die anderen "Völker" und muss deshalb "verteidigt" werden. Zum Beispiel gegen die ständige lästige Erinnerung an die entsetzlichen Verbrechen, die dieses angeblich doch bessere "Volk" begangen hat. Und gegen die "Selbstvernichtung" durch "Multikultipropaganda" (Kalbitz).

Oder, um es mit Jörg Urban zu sagen: "Ein Volk kann nur die eigene Einigkeit und Freiheit bewahren, wenn es weitgehend homogen bleibt." Diesen und viele andere interessante Sätze aus Urbans Mund oder Feder kann man bei Netzpolitik.org  im Verfassungsschutzgutachten über die AfD nachlesen. Das Wort "Arier" benutzen die AfD-Oberen lieber nicht, stattdessen sagt Kalbitz zum Beispiel "Ethnodeutsche". Gemeint ist natürlich das Gleiche.

"Regime zum Einsturz bringen"

Jörg Urban möchte gern das "derzeitige Regime zum Einsturz bringen". Andreas Kalbitz hat mal bei einer Veranstaltung folgenden Satz gesagt : "Wir wollen kein Stück vom Kuchen, wir wollen die Bäckerei!" Applaus im Saal.

Bis man die Bäckerei endlich hat, muss man aber so tun, als meine man das alles gar nicht so. Bis der harte, völkisch-rassistisch-nationalistische Kern der AfD endlich öffentlich so reden kann, wie er denkt. Dazu muss diese lästige freiheitlich-demokratische Grundordnung weg.

Die Wahrheit ist immer "Hetze"

Meist hält sich Kalbitz, vielleicht auch wegen seiner schwer zu schönenden Vergangenheit, offenbar an eine selbst auferlegte Regel: Dass man sich öffentlich immer schön zivilisiert äußern muss. Das hilft aber nur, wenn die Zuhörer wirklich ganz intensiv weghören und alle Zeichen und Erkenntnisse ignorieren, die deutlich machen, was die AfD in Wahrheit ist.

Wenn man die ja nun wahrlich mit Zitaten belegten Fakten klar ausspricht, reagieren Mitglieder und Claqueure der AfD verlässlich mit dem immer gleichen Vorwurf: "Hetze". Schauen Sie später mal ins Forum unter dieser Kolumne. Oder in das unter dieser. Für die AfD wäre die Wahrheit über ihren Wesenskern erst dann nicht mehr "Hetze", wenn sie die Maske ablegen dürfte.

Diesen Sonntag werden trotz alledem in Brandenburg und Sachsen womöglich mehrere Hunderttausend Menschen die AfD wählen, und Ende Oktober noch einmal viele in Thüringen.

Ein paar Fragen für die Fans des "Völkischen"

Manche davon sind vielleicht selbst Anhänger der völkischen Ideologie. Es wäre schön, wenn man diese Leute zum Beispiel Folgendes fragen könnte:

  • Ob denn Kinder von Einwanderern "Volksdeutsche" sein können, und wenn ja, ob es da aufs Herkunftsland ankommt.
  • Und wenn nein, ab wie vielen Generationen auf "deutschem Boden" man mitmachen darf beim "deutschen Volk". Und wo genau die Grenzen dieses definitionsmächtigen "deutschen Bodens" verlaufen.
  • Ob auch Leute, deren Nachnamen auf -ski, -glu, -cek, -gül, -o, -ow, -demir oder -eau enden, "Volksdeutsche" sein können.

Sie hätten darauf keine guten Antworten, es gibt nämlich keine. Aber vielleicht würde das ja doch noch manche ins Grübeln bringen.

Die Ideologie der AfD ist mit einer liberalen Demokratie inkompatibel

Viele andere werden die AfD nur wählen, weil sie irgendwie das Gefühl haben, dass Westdeutschland sie schlecht behandelt hat. Und dass - warum auch immer - ausgerechnet ein Wasserbauingenieur aus Meißen, ein nur angeblich studierter Ex-Soldat  aus München und ein Lehrer vom Rhein ihnen helfen können, dieses Gefühl endlich loszuwerden.

Das ist ihr gutes Recht. Es ist aber, wenn man nicht an die völkische Ideologie glaubt, ein schwerer Fehler.

Das Recht der Vertreter aller übrigen Parteien ist es, um diese Partei dann auch entsprechend herum zu operieren. Es kann in Deutschland niemals eine wie auch immer geartete Regierungsbeteiligung der AfD geben, denn die Ideologie der AfD ist mit einer liberalen Demokratie inkompatibel. Und übrigens auch mit einer globalisierten Gegenwart und Zukunft. Deshalb leugnet die AfD als einzige deutsche Partei die menschengemachte Klimakrise.

Es geht nur mit ständigem Lügen

In Italien haben es die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten gerade durchgezogen, endlich, möchte man sagen: Innenminister Matteo Salvini hat sein Machtspiel verloren, jetzt ist seine rechtsradikale Lega in der Opposition. Die Rechtsradikalen und Extremisten, die die Grundsätze freiheitlicher Demokratien ablehnen, sind in der Regel eben keineswegs in der Mehrheit.

Demokratische Parteien müssen entsprechend mit ihnen umgehen. Solche Parteien können nur größere Wählergruppen anziehen, indem ihre Führungsriege ihre wahren Absichten verschleiert, verheimlicht und verharmlost. Es geht nur mit ständigem Lügen.

Damit darf man sie nicht durchkommen lassen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, Thüringen wähle Ende August einen neuen Landtag. Tatsächlich wird dort Ende Oktober gewählt. Wir haben die Passage entsprechend korrigiert.

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