Wahrnehmung von Menschen Lippenbewegung fasziniert Autisten
Autisten vermeiden den direkten Blickkontakt mit ihrem Gegenüber - das wissen Forscher schon länger. Warum sie stattdessen lieber auf den Mund einer Person schauen, haben jetzt Forscher der Yale University School of Medicine in New Haven eher zufällig herausgefunden. Autisten achten bei ihrem Gegenüber nicht auf Gestik oder Mimik, sondern konzentrieren sich auf den Mund. Dadurch entgehen ihnen viele wichtige Informationen, wie Ami Klin und ihre Kollegen im Fachmagazin "Nature" (Online-Vorabveröffentlichung) berichten.
Für das soziale Miteinander geben Gesichtsausdrücke und Gesten wichtige Informationen: Der Gang verrät eine bekannte Person selbst dann, wenn das Gesicht nicht zu erkennen ist. Ein Lächeln, eine hochgezogene Augenbraue oder eine geballte Faust liefern Hinweise auf den emotionalen Zustand eines Menschen und helfen, dessen nächste Aktionen abzuschätzen. Schon kurz nach der Geburt lernt ein Kind, diese Bewegungsmuster einzuschätzen. Bei autistischen Kindern scheint diese wichtige Fähigkeit bereits sehr früh verlorenzugehen.
Um zu testen, wie gut autistische Kinder Bewegungsmuster erkennen, zeigten die Forscher Zweijährigen einen kurzen Film. Eine Art Strichmännchen erzählt darin zunächst eine Geschichte und beginnt dann, einen Reim aufzusagen. Beim Aufsagen des Reims klatscht die Figur rhythmisch in die Hände. Die Forscher zeigten den Autisten auf einem geteilten Bildschirm links den Originalfilm und rechts denselben Film auf dem Kopf stehend und rückwärts abgespult. Der Ton stammte in beiden Fällen vom Originalfilm und lief ganz normal vorwärts.
Während die Figur sprach, wechselte der Blick der autistischen Kinder immer wieder zwischen den beiden Filmen hin und her - ganz im Gegensatz zu einer Vergleichsgruppe mit gleichaltrigen normal entwickelten Kindern, die eindeutig die richtig herum stehende Figur bevorzugte.
Die autistischen Kinder verfolgten äußerst aufmerksam, wie die rechte, auf dem Kopf stehende Figur in die Hände klatschte, obwohl der passende Ton dazu nicht zu hören war, denn der Film lief rückwärts. Als dann die Figur links zu klatschen anfing - inklusive des passenden Tons -, wechselte die Aufmerksamkeit zu diesem Strichmännchen. Die Übereinstimmung der rhythmischen Bewegungen und der rhythmischen Sprechweise fasziniere die Kinder noch mehr als das Klatschen allein, schreiben die Forscher. In dieser Faszination für Synchronität sehen die Wissenschaftler daher den Grund dafür, dass Autisten ihrem Gegenüber beim Sprechen am liebsten auf den Mund sehen.
Frühkindlicher Autismus ist eine Entwicklungsstörung, bei der verschiedene Teile des Gehirns nicht richtig zusammenarbeiten und vor allem die soziale Interaktion mit der Umwelt stark beeinträchtigt ist. In der Folge kapseln sich autistische Kinder stark von ihrer Umwelt ab. Viele Forscher und Mediziner vermuten, dass bei ihnen die sogenannten Spiegelneuronen nicht genügend aktiviert werden. Diese Neuronen ermöglichen es, andere Menschen nachzuahmen und sich in den Gegenüber hineinzuversetzen.