
Erneuerbare Energien: Die grüne Zukunft
Weltklimarat-Studie Forscher halten Energiewende bis 2050 für machbar
Kann die Menschheit ihre Energie vor allem aus Windrädern, Biomasse und Sonnenstrahlen beziehen? Für den Weltklimarat IPCC ist die Antwort klar: Ja, es geht - wenn die Politik nur will. 120 Forscher haben an dem 900 Seiten umfassenden "Special Report on Renewable Energy Sources and Climate Change Mitigation" ( SRREN ) mitgearbeitet, der am heutigen Montag in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten vorgestellt wurde.
"Der Report zeigt, dass es wissenschaftlich keine Probleme gibt, die Welt mit alternativen Energien zu versorgen", sagte Mitautor Sven Teske von Greenpeace International. Auf diese Weise könne der Ausstoß von bis zu 560 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO2 reduziert werden, was nötig sei, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Es müsse aber auch die Waldzerstörung zurückgehen, die zu rund 20 Prozent zum Klimawandel beitrage.
Die Wissenschaftler hatten 164 Zukunftsszenarien mit verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Ausgangsdaten berechnet. Vier der Szenarien wurden genauer analysiert. Darin gingen die Forscher für den Zeitraum 2011 bis 2020 von Investitionen in Höhe von 1360 bis 5100 Milliarden US-Dollar (949 bis 3562 Mrd Euro) aus. Für das folgende Jahrzehnt waren es 1490 bis 7180 Milliarden US-Dollar (1041 bis 5014 Mrd. Euro).
Gas und Kohle weiterhin nötig
Das Geld müsse aus einem weiten Spektrum an Finanzquellen von Politik und Wirtschaft kommen. Laut IPCC werden die Kosten für die erneuerbaren Energien jedoch nicht höher sein als ein Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes. Derzeit würden die künftigen Gewinne der Erneuerbaren Energien oftmals zu wenig in die Kalkulationen einbezogen.
Selbst unter optimistischen Annahmen wird die Menschheit aber auch in 40 Jahren noch auf Kohle, Gas und Erdöl angewiesen sein. Den erneuerbaren Energien trauen die Forscher aber einen Anteil von bis zu 77 Prozent zu. Derzeit liegt er bei knapp 13 Prozent. Knapp die Hälfte davon (6 Prozent) entfallen auf traditionelle Holz- und Dungverbrennung, rund 4 Prozent auf effizientere Bio-Energie wie moderne Holzschnitzelanlagen und Biotreibstoff. Es folgen Wasserkraft (2,3 Prozen ), Windkraft (0,2 Prozent), Solarenergie und Erdwärme (je 0,1 Prozent) sowie Meeresenergie (0,002 Prozent).
Die fossilen Rohstoffe Kohle, Öl und Gas stellten laut IPCC nach jüngsten verfügbaren Daten von 2008 rund 85 Prozent der genutzten Energie bereit, die Atomkraft lag bei 2 Prozent.
Neue Infrastruktur nötig
"Wir sehen einen rasanten Anstieg bei den erneuerbaren Energien, vor allem bei Windkraft und Solarenergie", sagte Ottmar Edenhofer vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung in Abu Dhabi. Viele alternative Energien seien schon heute wettbewerbsfähig, die Kosten würden in Zukunft weiter sinken. Damit der Anteil grüner Energie weiter steigen könne, müsse die Politik jedoch handeln. Zudem sei eine neue Infrastruktur nötig. Ein Beispiel dafür ist die neue Netzstruktur, die Deutschland benötigt, wenn es zügig aus der Atomkraft aussteigen will.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der IPPC-Studie sind:
- Trotz Finanzkrise ist der Anteil erneuerbarer Energien im Jahr 2009 gestiegen, bei der Windkraft um 30 Prozent, bei der Photovoltaik um 50 Prozent.
- Entwicklungsländer haben einen Anteil von 50 Prozent der globalen Kapazitäten erneuerbarer Energien.
- Biomasse ist derzeit mit mehr als 10 Prozent die wichtigste erneuerbare Energie. Sie wird vor allem zum Heizen und Kochen verwendet.
- Die Solarenergie liegt derzeit bei einem Prozent weltweit. Sie hat nach IPPC-Einschätzung das Potential, 2050 eine der Hauptenergiequellen der Menschheit zu sein.
- Die Windenergie liegt derzeit bei global zwei Prozent. Bis 2050 könnte sie 20 Prozent erreichen.
- 16 Prozent des weltweiten Stroms stammen aus Wasserkraft, der Anteil wird jedoch bis 2050 sinken, weil der globale Strombedarf weiter steigt.
- Mit Geothermie könnten 2050 drei Prozent des Stromes und fünf Prozent der benötigten Wärme erzeugt werden.
"Der Weltklimarat hat hervorragende Arbeit geleistet, beides herauszustellen: die großen Herausforderungen und die noch viel größeren Chancen und Gewinne für alle Nationen durch Erneuerbare Energien", sagte Stephan Singer von der Umweltstiftung WWF. Der Weltklimarat zeige die mögliche Kostenreduktion der Erneuerbaren ebenso auf wie die Möglichkeit für neue Jobs. "Der Report ist ein Meilenstein auf dem Weg zu 100 Prozent erneuerbare Energien."
Vertreter von mehr als 100 Ländern hatten von Donnerstag bis Montag um jeden Satz der 30-seitigen Zusammenfassung des Reports für Politiker gerungen, bevor sie verabschiedet wurde. Insbesondere Brasilien sowie die Ölstaaten Saudi Arabien und Katar hatten nach Angaben von Greenpeace die Verhandlungen immer wieder verzögert und Kernaussagen des Reports in der Kurzfassung für Politiker verwässert.
Dass der Report gerade in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate verabschiedet wurde, ist kein Zufall. Der Staat strenge sich sehr an, seinen Energiemix zu verändern, und sei dabei, eines der führenden Länder im Bereich saubere Energie zu werden, sagte der Politische Direktor der Emirates Wildlife Society, Tanzeed Alam. Zudem hat die Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) ihren Sitz in dem Wüstenstaat.