Weltweit Fettleibigkeit macht sich breit

Bislang galt Übergewicht als exklusives Problem der Industrienationen. Doch die Entwicklungsländer holen auf: Wissenschaftler sprechen bereits von einer "globalen Epidemie".

Fast Food und westlicher Lebensstil führen zu einer Ausbreitung des Übergewichts auch in zuvor nicht betroffenen Ländern, warnen Ernährungsforscher. Von ersten Anzeichen einer "globalen Epidemie der Fettleibigkeit" berichteten Redner auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS) in Boston.

"Menschen sind nicht immun gegen diese Epidemie, nur weil sie in nicht-industrialisierten oder armen Ländern leben", sagte die Anthropologin Marquisa LaVelle von der University of Rhode Island. Übergewicht erhöht das Risiko, an Herzleiden, Diabetes oder Krebs zu erkranken. In Entwicklungsländern erschienen diese Folgeerscheinungen bislang jedoch eher unbedeutend angesichts größerer Gesundheitsprobleme wie der Unterernährung oder Infektionskrankheiten.

Doch die Dritte Welt befindet sich, so Barry Popkin von der University of North Carolina, in einem rapiden Wandel. Faktoren wie Verstädterung, neue Technologien, veränderte Nahrungsmittelherstellung und mehr Freizeit würden zur zunehmenden Fettleibigkeit beitragen. Auch Länder, die noch mit dem Hunger zu kämpfen hätten, müssten der Vorbeugung der von Übergewicht hervorgerufenen Krankheiten einen "weit größeren Stellenwert" einräumen, so der Forscher.

Anhand von Daten aus der gesamten Welt zeigten die Wissenschaftler, wie in städtischen und ländlichen Bevölkerungsgruppen Übergewichtsprobleme entstehen. Paradoxerweise könnten Unterernährung und Entwicklungsstörungen bei Kindern vielerorts gemeinsam mit einer Fettleibigkeit der Erwachsenen auftreten, berichtete William Leonard von der Northwestern University, der die Ernährung sibirischer Völker studiert.

Ein ähnliches Phänomen beobachtete auch Marquisa LaVelle in Australien: "Die kulturellen Bedingungen für Fettleibigkeit sind in diesen Populationen oft schon vorhanden", so die Forscherin, "aber irgendetwas verhindert, dass sie bereits bei jüngeren Menschen zu Übergewicht führen." Wie LaVelle vermutet, könnte eine beträchtliche Zahl von Krankheiten die Neigung zunächst überdecken.

Auch bei Einwanderern in Industrienationen steigt die Zahl der Fettleibigen. Als Beispiel führte Barry Bogin von der University of Michigan-Dearborn in den USA lebende Maya-Kinder an. Im Vergleich zu Gleichaltrigen in Guatemala seien die Immigrantenkinder größer und hätten längere Beine. Bei einer "alarmierenden Zahl" registrierte der Forscher Gewichtsprobleme: 42 Prozent der Kinder, so Bogin, erfüllten die von den US-amerikanischen Centers for Disease Control aufgestellten Kriterien für Fettleibigkeit.

Einen Einfluss auf das Übergewicht hat, wie Bogins Studie bestätigt, die sitzend vor dem Fernseher oder mit Computerspielen verbrachte Zeit. Aber auch die Familiengröße und die zu Hause gesprochene Sprache hätten Auswirkungen auf die Dickleibigkeit der Einwandererkinder.

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