Belege gegen Laborthese Wildtiermarkt in Wuhan ist höchstwahrscheinlich Corona-Ursprungsort

Wie begann die Pandemie? Zwei neue Studien liefern recht deutliche Hinweise darauf, dass Sars-CoV-2 auf dem Wildtiermarkt von Wuhan auf den Menschen übergesprungen sein muss – möglicherweise sogar zweimal.
Coronatest

Coronatest

Foto: ROMAN PILIPEY / EPA

Die ersten Menschen sind vor mehr als zwei Jahren an Covid-19 erkrankt. Bis heute ist nicht zweifellos geklärt, wo das Virus seinen Ursprung hat. Neue Studien legen nun jedoch nahe: Der Erreger kommt nicht aus einem Labor.

Zwei  Studien , die am Samstag veröffentlicht wurden, kommen zu dem Schluss:

  • Höchstwahrscheinlich haben sich Menschen auf dem Wildtiermarkt von Wuhan mit Sars-CoV-2 infiziert.

  • Höchstwahrscheinlich kam das Virus in lebenden Säugetieren vor, die Ende des Jahres 2019 auf dem Markt verkauft wurden.

  • Möglich sei sogar, dass das Virus zweimal auf Menschen übergesprungen sei, die dort zum Arbeiten oder Einkaufen waren.

  • Es gebe keine Anhaltspunkte für die alternative Theorie, dass das Coronavirus aus einem Labor in Wuhan entwichen sei, stellten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler klar.

»Wenn man alle Beweise zusammen betrachtet, ergibt sich ein außerordentlich klares Bild, dass die Pandemie auf dem Wuhan-Markt begann«, sagte Michael Worobey, Evolutionsbiologe an der Universität von Arizona und Mitautor beider Studien, der »New York Times« , die zuerst über die Veröffentlichungen berichtet hat.

Die Untersuchungen haben noch nicht das Verfahren der Peer-Review durchlaufen. Sie wurden also noch nicht von unabhängigen Fachleuten überprüft.

Der Großmarkt von Wuhan, auf dem unter anderem lebendige Tiere verkauft wurden, stand schon früh als Ursprungsort der Pandemie im Verdacht. Ende Dezember 2019 waren mehrere Personen, die auf dem Markt arbeiteten, an einer neuartigen Lungenentzündung erkrankt.

Ende Dezember wurde außerdem klar, dass ein neues Coronavirus für die rätselhaften Erkrankungen verantwortlich war. Die chinesischen Behörden ordneten daraufhin an, den Markt in Wuhan zu schließen. Am 1. Januar 2020 machte die Polizei den Wildtiermarkt dicht, die Stände auf dem Markt wurden gewaschen und desinfiziert.

Nach Angaben chinesischer Forscherinnen und Forscher sei das Virus später in zahlreichen Proben von Oberflächen und Abwasserkanälen auf dem Markt gefunden worden. Ein eindeutiger Beweis durch einen Abstrich bei infizierten Tieren auf dem Markt ließ sich jedoch nicht erbringen.

Die Belege sprechen gegen die Laborthese

Und mit dem Fortschreiten der Pandemie kam eine alternative Theorie zum Ursprung des Virus auf: die Laborthese. Könnte der Erreger nicht auch aus einem Forschungslabor im Institut für Virologie in Wuhan entwichen sein?

Das sei unwahrscheinlich, zeigen die neuen Veröffentlichungen:

  • Für die neuen Studien verorteten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Hunderte Fälle von Sars-CoV-2-Infektionen aus den ersten Monaten der Pandemie.

  • Die Daten dazu stammten zum Teil aus einer App, über die Menschen mit einer Covid-Erkrankung Hilfe suchen konnten.

  • Die höchste Dichte an Fällen konzentrierte sich demnach um den Markt.

  • Vom Markt ausgehend habe sich das Coronavirus dann auf die umliegenden Stadtteile ausgebreitet.

Es sei statistisch äußerst unwahrscheinlich, dass das Muster, das die Verortung der Fälle ergeben habe, zufällig entstanden sein könnte. Zudem präsentierten die Forscherinnen und Forscher Beweise dafür, dass auf dem Wildtiermarkt zu jener Zeit Waschbärhunde und andere Säugetiere verkauft wurden, die als potenzielle Wirte von Coronaviren bekannt sind.

Einen weiteren Anhaltspunkt liefere darüber hinaus ein evolutionärer Stammbaum der Coronaviren, die in den ersten Wochen der Pandemie in Proben gefunden wurden. Der Baum lasse sich in zwei Hauptzweige mit verschiedenen Mutationen unterteilen, die nach Ansicht der Forscher und Forscherinnen getrennt voneinander in Tieren entstanden sein könnten und sich jeweils selbstständig an den Menschen angepasst hätten. Eine der beiden Linien sei Ende November oder Anfang Dezember 2019 auf den Menschen übergesprungen, die zweite wenige Wochen danach.

In diese Richtung deuten auch die Erkenntnisse einer Untersuchung des chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention, die am Freitag veröffentlicht  worden ist. Genetische Proben von frühen Covid-Fällen vom Wuhan-Markt hätten Viren von zwei Hauptzweigen enthalten. Beide Virenstränge seien von den Tieren auf dem Markt übertragen worden.

Gab es zwei verschiedene Spillover-Viren?

Dem Bericht der »New York Times« zufolge sind jedoch nicht alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gleichermaßen von den Studienergebnissen überzeugt. So sagte etwa Jesse Bloom, ein Virologe am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle, der Zeitung: »Ich denke, was sie behaupten, könnte wahr sein. Aber ich glaube nicht, dass die Qualität der Daten ausreicht, um mit Sicherheit sagen zu können, dass irgendeines dieser Szenarien wahr ist.« Es gebe nach wie vor keinen direkten Beweis dafür, dass die Tiere auf dem Markt selbst mit dem Coronavirus infiziert worden seien.

Auch die These, dass es zweimal zu sogenannten Spillover-Ereignissen gekommen sei, bei denen das Virus vom Tier auf den Menschen übergegangen sei, sei nicht zweifelsfrei belegt. Es sei möglich, sagte Bloom, dass die Viren der zweiten Linie, erst wieder auf den Markt gebracht wurden, aber nicht dort entstanden seien.

Die beiden Zweige unterschieden sich lediglich durch zwei Mutationen. Es sei möglich, dass sich die eine aus der anderen entwickelt haben könnte, als das Virus von Mensch zu Mensch weitergegeben wurde. »Die Schlussfolgerung, dass es auf dem Wildtiermarkt Wuhan zwangsläufig zwei verschiedene Spillover-Viren gegeben haben muss, überzeugt mich nicht«, sagte Bloom.

vki
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren