Fotostrecke

Supergedächtnis: Der magische Rösselsprung

Foto: ZDF

Zahlentrick Das Geheimnis von Deutschlands Superhirn

Der Brandenburger Robin Wersig hat blind ein magisches Quadrat mit 64 Zahlen ausgefüllt - Millionen Zuschauer der ZDF-Show "Deutschlands Superhirn" waren begeistert. Doch was aussieht wie faszinierende Zahlenmagie, beruht auf einem nicht besonders komplizierten Trick.

Schachspieler schätzen das Pferd, weil es sich übers Brett bewegen kann wie keine andere Figur. Zwei Felder senkrecht, dann eines waagerecht. Dieser sogenannte Rösselsprung ist auch als mathematisches Rätsel beliebt. Kann ich mich so übers Schachbrett bewegen, dass ich auf jedem Feld genau einmal lande?

Mathematiker haben ausgerechnet, dass es Milliarden verschiedene Wege gibt, ein Quadrat mit 64 Feldern abzuhüpfen. Vor wenigen Tagen wurde ein Brandenburger Gedächtniskünstler mit einem blind ausgeführten Rösselsprung zu Deutschlands Superhirn  gewählt. So hieß die gleichnamige Sendung im ZDF - moderiert von Jörg Pilawa.

Die sieben Kandidaten in der Show hatten schier Unglaubliches zu bieten: Einer konnte 1000 Babys an ihren Gesichtern unterscheiden, ein anderer merkte sich in 100 Sekunden die Reihenfolge von 100 Personen. Den Sieg sicherte sich allerdings Robin Wersig aus Massen bei Brandenburg. Er vollführte Rösselsprünge im Kopf, ohne das Schachbrett zu sehen, und füllte dabei 64 Zahlen in die Felder, so dass ein magisches Quadrat  entstand. Darin betrug die Summe jeder Zeile und jeder Spalte jeweils 747. Die drei Ziffern 7, 4 und 7 hatte das Publikum vorgegeben.

"Für mich war der Rösselsprung sensationell", bekannte der Schauspieler und "Tatort"-Kommissar Axel Prahl. So wie er sahen das auch die Zuschauer und wählten Robin Wersig mit fast 70 Prozent der Stimmen zum Sieger. Wersig wollte in der Sendung nicht verraten, wie ihm das Kunststück gelungen war.

In zwei Rechenschritten zum Superhirn

Wenn man sich seine Lösung (siehe Fotostrecke und ZDF Mediathek ) aber etwas genauer anschaut, dann wird schnell klar, dass der Brandenburger nach einem festen Schema vorgegangen sein muss. Er nutzt offensichtlich als Ausgangspunkt ein magisches Quadrat , das mit den Zahlen von 1 bis 64 gefüllt ist. Diese 64 Zahlen werden dann in zwei Schritten verändert, so dass die Summe jeder Zeile und Spalte 747 entspricht. Beim Ursprungsquadrat mit den Zahlen von 1 bis 64 liegt diese Summe bei 260 - siehe Fotostrecke.

Ein vereinfachtes Quadrat mit nur drei mal drei Feldern verdeutlicht das Prinzip der Lösung. In die neun Felder werden die Zahlen von 1 bis 9 eingetragen - wie in diesem Beispiel:

9 5 1
4 3 8
2 7 6

Die Summe einer Spalte und Zeile ist jeweils 15. Wie bekomme ich nun größere Summen hin? Ganz einfach: Indem ich zu jeder der neun Zahlen eine bestimmte Zahl addiere - zum Beispiel 10:

19 15 11
14 13 18
12 17 16

Dadurch erhöht sich die Summe von Zeilen und Spalten um 3x10=30 auf 45. Addiere ich stattdessen überall 11 hinzu, wächst die Summe um 3x11=33 auf 48. Mit dieser Methode kann man die Zeilen- und Spaltensumme in Dreierschritten steigern.

Was aber, wenn die Summe nicht 45 sein soll, sondern zum Beispiel 46? Auch das ist kein Problem. Man muss nur eins zu den drei größten Ziffern 17, 18, 19 addieren.

20 15 11
14 13 19
12 18 16

Die 17, 18 und 19 bilden nämlich eine sogenannte Traversale. Das bedeutet, dass sich in jeder der drei Spalten und Zeilen jeweils nur eine der drei Zahlen befindet. Und wenn jede dieser Zahlen sich um eins erhöht, erhöhten sich auch Zeilen- und Spaltensumme entsprechend.

Genau nach dieser Methode dürfte Robin Wersig vorgegangen sein. Die Basis ist ein magisches Quadrat mit den Zahlen 1 bis 64. Zu all diesen Zahlen addierte der Brandenburger Gedächtniskünstler dann 70. Dadurch erhöhte sich die Summe jeder Zeile und Spalte von ursprünglich 260 auf 260+8x70=820.

Nötig ist ein gutes Gedächtnis

Nun folgte die Korrektur der Traversale - der letzte Schritt. 820 ist zu groß, die Summe soll ja bei 747 liegen. Also muss in jeder Zeile und in jeder Spalte von genau einer Zahl die Differenz 73 abgezogen werden. Damit war das magische Quadrat gefunden.

Der vollführte Rösselsprung ist nur das i-Tüpfelchen und an sich überflüssig - er lässt die Sache nur noch mysteriöser erscheinen. Man braucht sich nur eine Sprungvariante fest einzuprägen, die alle 64 Felder erreicht - und muss zugleich das magische Quadrat im Hinterkopf haben. Wersigs Leistung besteht also offensichtlich weniger im Rechnen als im Merken.

Der Berliner Mathematiker Andreas Griewank hätte sich zumindest in der Beschreibung dessen, was Wersig tut, mehr Präzision gewünscht: "Die Aufgabe ist schlecht gestellt", sagte er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Ich hätte auch in alle Felder eine Null einsetzen können und in sämtlicher Felder einer Diagonale die 747." Die mehrfache Verwendung einer Zahl sei nicht explizit ausgeschlossen gewesen.

Mit dem Rösselsprung  auf einem magischen Quadrat hat sich bereits im 18. Jahrhundert Leonard Euler beschäftigt. Mathematiker suchten damals nach sogenannten magischen Touren, bei denen jedes der 64 Schachfelder vom Springer genau einmal betreten wird. Die Zahlen werden dabei beginnend bei 1 bis zur 64 bei jedem Sprung der Reihe nach verteilt, was deutlich schwieriger ist als die von Merwig präsentierte Lösung, bei der es keine geordnete Reihenfolge gab. Die ersten Lösungen dazu stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

"Die letzte große Studie zu magischen Touren liegt nur ein paar Jahre zurück", berichtet Griewank. 2003 wurde das Hüpfproblem mit Supercomputern untersucht. Es ging um die Frage, ob das Pferd die Zahlen beginnend bei 1 bis zur 64 so verteilen kann, dass ein magisches Quadrat entsteht, bei dem auch die Summe der beiden Diagonalen 260 ist. Die aufwendige Untersuchung am Computer ergab, dass eine solche Lösung nicht existiert.

Griewank möchte die ZDF-Show nun nutzen, um zu zeigen, dass im Grunde jeder das Zeug zum Superhirn hat. In einer Vorlesung will der Mathematikprofessor der Humboldt-Universität Berlin seinen Studenten den Trick Wersigs erläutern und anschließende Freiwillige finden, die ihn innerhalb weniger Tage selbst lernen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels war der Rösselsprung falsch beschrieben, wir haben den Fehler korrigiert.

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten