Zeckenbisse Zahl der Hirnentzündungen steigt rasant
2004 und 2003 wurden jeweils nur knapp über 270 Fälle registriert, in denen Menschen an der durch Zecken übertragenen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) erkrankten. 2005 waren es 432, im vergangenen Jahr bereits 541 Fälle, meldet das für Infektionskrankheiten zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Häufigster Überträger der Hirnhaut-Entzündung, die zunächst mit Grippesymptomen wie Kopfschmerzen und Fieber einhergeht, ist die Zecke der Gattung Ixodes. Sie infiziert ihren Wirt mit dem sogenannten FSME-Virus, einem Erreger aus der Familie der Flaviviridae.
Die Infektion habe in den vergangenen 30 Jahren in Europa deutlich zugenommen, im Durchschnitt sei die Zahl der Erkrankungen in allen europäischen Ländern mit FSME-Risiko um 400 Prozent gestiegen, teilte die International Scientific-Working Group on Tick-Borne Encephalitis (ISW-TBE) am heutigen Donnerstag in Wien mit. Auch in der Schweiz und Tschechien habe sich die Zahl der FSME-Fälle seit 2004 verdoppelt. In Österreich dagegen sei die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen vergleichsweise gering, da sich 87 Prozent der Bevölkerung gegen FSME impfen ließen, erklärte die ISW-TBE.
Über die Ursachen der rasanten Zunahme lässt sich nach Angaben des RKI nur spekulieren. "Es könnte sein, dass die Menschen aufmerksamer geworden sind, und die Ärzte häufiger untersuchen", sagte RKI-Expertin Wiebke Hellenbrand zu SPIEGEL ONLINE. "Ein warmer Winter spielt möglicherweise auch eine Rolle, allerdings kommt die FSME im warmen Italien sehr viel seltener vor als im kalten Sibirien oder in Litauen."
Nach Einschätzung der ISW-TBE wird die in Deutschland meldepflichtige FSME immer noch unterschätzt. Die Arbeitsgruppe fordert deswegen europaweite Impf- und Reiseempfehlungen. Die Krankheit befällt das zentrale Nervensystem und führt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation bei 35 bis 58 Prozent der Fälle zu langfristigen neurologischen Komplikationen, ein bis zwei Prozent der Betroffenen sterben.
Laut RKI gelten in Deutschland große Teile Bayerns und Baden-Württembergs sowie der Süden von Hessen und Thüringen als Risikogebiete. Da es kein Medikament zur Behandlung von FSME gibt, ist die Schutzimpfung die einzig sichere Prävention.
Wer sich in Risikogebieten viel in der Natur aufhält, sollte sich gegen FSME impfen lassen, und zwar zeitnah. Denn die Hauptinfektionszeit beginnt schon im März, und es dauert mindestens sechs Wochen, bis ein wirksamer Impfschutz besteht. Auf eine erste Immunisierung folgt nach drei bis vier Wochen eine zweite. Innerhalb eines Jahres muss für einen langfristigen Schutz eine dritte Impfung erfolgen. Besonders für ältere Menschen ist das wichtig, da eine Gehirnentzündung für sie gefährlicher wird.
Auch die durch Zecken übertragene Borreliose, eine bakterielle Erkrankung, nimmt deutlich zu. Da eine Meldepflicht allerdings nur in den ostdeutschen Bundesländern und in Berlin besteht, gibt es keine sicheren Zahlen für das gesamte Bundesgebiet. Das RKI schätzt jedoch, dass es im Jahr 2005 in Deutschland 60.000 Borreliose-Fälle gab.
In den sechs Bundesländern mit Meldepflicht erkrankten 2004 noch 3980 Menschen, 2005 waren es 4478 und im vergangenen Jahr 6215 Betroffene. "Die größere Fallzahl insgesamt liegt daran, dass es diese Erkrankung in ganz Deutschland gibt und rund 25 bis 30 Prozent der Zecken mit dem Erreger durchseucht sind", erklärte RKI-Mitarbeiterin Hellenbrand. "Bei der FSME sind hingegen nur 0,5 bis fünf Prozent der Tiere infiziert." Eine Impfung gegen Borreliose gibt es nicht. Hier helfen nur schützende Kleidung und Zeckenschutzmittel.
hei/dpa/AP