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11. September 2001: Spurensuche in Leichenteilen

Foto: PETER MORGAN/ REUTERS

Zehn Jahre nach 9/11 Mediziner suchen 1124 Opfer im Knochenpulver

Zehn Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 warten mehr als Tausend Familien auf Überreste ihrer Angehörigen: 1124 Opfer konnten nicht identifiziert werden. Winzige Knochenpartikel sollen ihr Schicksal klären.

Hamburg - Rechtmediziner haben Tausende Tote der Katastrophe vom 11. September 2001 anhand ihrer Zähne und Knochen identifiziert: Schädel, Kiefer, Hände, Füße, Arme, Beine und selbst kleinste Knochensplitter wurden untersucht. Doch auch zehn Jahre nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center haben die Experten noch nicht alle sterblichen Überreste den 2753 Opfern zugeordnet. Bisher ist es ihnen nur in 1629 Fällen gelungen, denn die über eine Tonne schweren Trümmer der eingestürzten Türme haben viele Spuren unter Schutt und Asche verschwinden lassen - rund 40 Prozent der Fälle sind noch ungeklärt.

Anfangs, als sich bei den Gerichtsmedizinern über Monate Leichenteile in Kühlkammern türmten, wurden die Toten anhand ihres Gebisses, Fingerabdrücken oder Fotos erkannt. 291 Leichen waren komplett, also einfach zuzuordnen.

Als diese Fälle erledigt waren, begann die Detektivarbeit: Durch die Explosion und das Zusammensacken des Gebäudes blieben von vielen Toten nur winzige Partikel übrig. 21.817 Leichtenteile wurden geborgen, mehr als ein Drittel davon passte jeweils in ein Reagenzglas. Dadurch glich das Identifizieren einem Puzzlespiel und war nahezu ausschließlich durch DNA-Analysen möglich.

Das ist auch heute noch so: Unter strengen Sicherheits- und Hygienevorschriften versuchen derzeit fünf Wissenschaftler, weitere 6314 Knochensplitter zuzuordnen, die im Ground Zero gefunden wurden. Dafür reinigt ein Roboter die Überreste. Dann suchen die Experten per DNA-Analyse nach Übereinstimmungen zwischen den Partikeln. In der Regel geschieht dies mithilfe einer Datenbank, in der die genetischen Daten der Verwandten der Opfer gesammelt wurden.

Nur zwei Erfolge in zwei Jahren

Doch für die Rechtsmediziner ist es nahezu unmöglich, das Erbgut der Überreste zu untersuchen und sie einem Namen zuordnen. Die Brände in den Türmen haben den DNA-Sequenzen stark beschädigt - in menschlicher Asche ist die DNA meist vollkommen unbrauchbar.

Besser geeignet sind Haar- oder Blutproben, oder Gegenstände, an denen noch Zellen des Verstorbenen kleben, zum Beispiel an Kämmen oder Zahnbürsten. Denn die Kombination der DNA-Sequenzen verschiedener Gen-Orte ist für jeden Menschen so einzigartig wie ein Fingerabdruck.

Auf diese Weise gelang es den Rechtsmedizinern oft, gefundene Leichenteile einem Namen zuzuordnen - zuletzt Ende August, als der 40-jährige Ernest James identifiziert wurde. Er arbeitete in einem der obersten Stockwerke des Nordturms, als das erste Flugzeug in das Bürogebäude einschlug. Seine Überreste wurden der Familie zur Bestattung übergeben.

In den meisten Fällen erweisen sich die Stücke nach der DNA-Analyse als weitere Teile bereits identifizierter Überreste. So brauchen die Wissenschaftler vor allem eines: Geduld. Denn seit 2006 konnten gerade einmal 31 neue Leichenteile zugeordnet werden, nur zwei davon in den vergangenen beiden Jahren.

Zwar ist die weitere Identifizierung von Überresten juristisch nicht notwendig, weil alle Opfer namentlich bekannt sind und bereits ihren Totenschein haben. Doch für Mechthild Prinz, die in der Abteilung für Forensische Biologie bei der Gerichtsmedizin in New York arbeitet, ist die weitere Spurensuche eine "ethisch-moralische Entscheidung", die sich auf jeden Fall lohne: "Weil einige Familien richtig dankbar sind für unsere Arbeit."

Mehr als Tausend Familien haben noch keine Gewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen. Deshalb werden Prinz und ihre Kollegen weiter arbeiten und versuchen, das Unglück aufzuarbeiten - auch wenn die Identität vieler Opfer wohl nie endgültig geklärt werden kann.

nap/afp
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