Zoologie Krebse mit Knall
Wenn es Nacht wird in Florida und die Touristen den Strand verlassen, beginnt vor der Küste wieder eine Schießerei - allerdings unter Wasser, im Revier der Pistolenkrebse. In der Dämmerung werden die fünf Zentimeter langen Tiere aktiv und beschießen sich gegenseitig.
Die Garnelen der Art Alpheus heterochaelis sind doppelt bewaffnet: Links sitzt bei ihnen eine normale Krebs-Schere, rechts die Pistole, die halb so groß ist wie das Tier selbst. Das Schussgerät besteht aus zwei Hälften. Unten sitzt ein großer beweglicher Zahn, oben eine dazu passende Grube. Die abgewandelte Schere bildet nach vorne hin in eine röhrenartige Rinne. Will der Krebs einen Schuss abfeuern, muss er zunächst die Pistole spannen. Dazu öffnet er die beiden Scherenhälften so sehr, dass eine Sehne über eine Art Hahn gehoben wird. Dadurch entsteht eine Vorspannung. Lässt die Knallgarnele dann die beiden Pistolenhälften ineinander sausen, springt die Sehne wieder zurück. "Das ist ähnlich wie bei einer Mausefalle, die zuschnappt", erklärt Barbara Schmitz, Biologin an der Technischen Universität München.
Um die Pistolen genauer untersuchen zu können, verwendete Schmitz eine Hochgeschwindigkeitskamera. Die 4000 Bilder pro Sekunde enthüllten des Krebses ballistische Fähigkeiten: Mit einer Geschwindigkeit von rund 22 Stundenkilometern schnappen die beiden Scherenhälften beim Schuss zusammen. Heraus kommt ein ebenso schneller Wasserstrahl mit einem Druck, der Aquarien-Wände aus Glas leicht zerstören kann. Durch das Zusammenklappen der beiden Scheren entsteht beim Schuss gleichzeitig ein Knall. Mit 150 dB übertrifft seine Lautstärke die eines startenden Düsenjets. Allerdings wirkt das Geballere auf Menschen eher wie ein ständiges Knacken - das Schall-Ereignis ist zu kurz, um von uns als sehr laut empfunden zu werden.
Pistolenkrebse haben keine Ohren. Trotzdem nehmen sie die Knallerei ihrer Gegner wahr. Aber nicht als Schalldruck, sondern als Wasserbewegung, deren Stärke auf die Größe des Schießgeräts und damit auf die Gesamt-Körpergröße des Widersachers schließen lässt.
Wichtig ist diese Information bei Revierkämpfen der Krebse. Die beiden Garnelen stehen dabei frontal voreinander, ihr Abstand beträgt einen Zentimeter. Dann beginnt eine der beiden mit dem ersten Schuss. Sobald sie abgefeuert hat, zieht sie sich ein kleines Stückchen zurück. Nun rückt die Kontrahentin ebensoviel vor, schießt, und retiriert. Dann ist die erste wieder an der Reihe. Dieser Wettbewerb geht im Wechsel weiter, bis eine Garnele glaubt, verloren zu haben. "Es handelt sich hierbei eigentlich nicht um einen Kampf", sagt Barbara Schmitz. Denn keine der beiden Duellantinnen nimmt Schaden. Es geht nur darum, zu erkennen, wer die stärkere Schützin ist.
Doch ganz ungefährlich ist die Pistole nicht. Kleinere Krabben, die sich in das Revier der Knallgarnelen trauen, bekommen leicht einen Schuss aus drei Millimeter Entfernung ab. Dies ist für die kleineren Tiere tödlich. Auch für die Jagd eignet sich die Pistole hervorragend. Der Krebs schleicht sich dazu von hinten an sein Opfer heran, packt es mit seiner linken Greifschere und verpasst ihm mit seiner Pistole mehrere Schüsse an den Kopf. Kleinere Fische werden davon getötet und lassen sich dann mühelos verzehren.