5000 Jahre Wirbelstürme Hurrikan-Häufung auch ohne Klimawandel
Woods Hole - Schwarzer, feucht-glänzender Ton: So unspektakulär sehen auf den ersten Blick die Bohrkerne aus, die Geophysiker Jeffrey Donnelly von der puertoricanischen Lagune Playa Grande in sein Labor im neu-englischen Woods Hole mitgebracht hat. Wären da nicht graue, luftige Schichten aus groben Körnern: Sand, den heftige Hurrikane von der Nehrung in die Lagune gewirbelt haben. Jeder der zwölf jeweils vier Meter langen Bohrkerne ist eine Zeittafel; insgesamt bilden sie die am weitesten zurückreichende Wirbelsturm-Chronologie, die es derzeit weltweit gibt.
Mehr als 5000 Jahre zurück konnte Hurrikan-Historiker Donnelly von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) anhand der Proben schauen und stellte fest: Die heftigen Wirbelstürme fegten nicht ständig mit der gleichen Intensität über den westlichen Nordatlantik auf die puertoricanische Insel Vieques, stattdessen wechselten sich stürmische und ruhige Phasen ab.
In dem Wissenschaftsmagazin "Nature" listet Donnelly mit seinem Kollegen Jonathan Woodruff jetzt auf: Vor 5450 bis 3650 Jahren trafen regelmäßig Wirbelstürme auf die Lagune; nur kurz unterbrochen von einer 150 Jahre dauernden Ruhephase. Danach gab es bis vor rund 2550 Jahren nur wenige Hurrikane. Es folgte ein Intervall mit relativ vielen starken Wirbelstürmen, bis vor rund 1050 Jahren erneut Ruhe einkehrte. Seit 300 Jahren aber erreichen wieder mehr Wirbelstürme die Lagune wie sich auch andernorts die ungemütlichen Stürme häufen.
"Wir leben in einer aktiven Hurrikan-Phase"
Gerade in den letzten Jahren sorgten immer mehr nordatlantische Hurrikane mit den Prädikaten "sehr stark" oder "verwüstend" - den zwei schlimmsten Wirbelsturm-Kategorien - für Tote, zerstörte Städte und Schäden in Millionenhöhe: "Katrina" (2005), "Wilma" (2005) und "Ivan" (2004) sind nur drei davon.
Schuld an dieser Häufung sei der Klimawandel, heißt es immer wieder: Die globale Erwärmung erhöhe die Oberflächentemperatur der Ozeane, wodurch kleine unbedeutende Winde zu mächtigen Hurrikanen werden. Zumindest für das Hurrikan-Rekordjahr 2005 - erstmals drei verwüstende Hurrikane in einer Saison - könne man dem Menschen eine maßgebliche Mitverantwortung nachweisen, berichteten Forscher im vergangenen Sommer.
Die Temperatur an der Oberfläche der Meere nehme zwar wirklich zu, so Donnelly zu SPIEGEL ONLINE. "Doch das begünstigt die Entstehung von Hurrikanen nur." Damit sei der vom Menschen verursachte Klimawandel noch nicht Schuld an den vielen Hurrikanen in den letzten Jahren. "Wir leben nun mal in einer aktiven Hurrikan-Phase", sagt der Geologe lapidar, während er an einem schreibtisch-großen Bildschirm die jüngsten Tropenstürme an der US-Ostküste Revue passieren lässt. Hurrikane seien natürlich.
Weitreichende Auswirkungen des Monsuns in Afrika
Seit den sechziger Jahren überwachten Wissenschaftler Ozean-Oberflächentemperaturen und Hurrikane per Satellit, sagt Donnelly. "Das ist zu kurz und unzuverlässig, um wirklich Trends in der Aktivität von starken Tropenzyklonen zu enthüllen." Die nun in "Nature" beschriebene Analyse der Bohrkerne erweist sich da als nützlicher.
Donnelly glaubt auch zu wissen, warum die Hurrikan-Intensität in den vergangenen 5000 Jahren so stark schwankte. Grund seien Veränderungen beim westafrikanischen Monsun, einer großräumigen Luftzirkulation, und bei El Niño. Bei diesem Klimaphänomen erwärmt sich alle drei bis acht Jahre das Wasser im Ostpazifik, die warmen Strömungen bringen die Winde über dem Ozean durcheinander und sorgen an Land für Dürren und Unwetter.
In Zeiten, in denen der El Niño in relativ kurzer Zeit oft auftrete, gebe es keine Hurrikane, so Donnelly. Der Grund: Wegen des Klimaphänomens wehen die Luftmassen über dem Ozean in verschiedene Richtungen - sie scheren, statt sich zu einem Sturm zusammenzubrauen; der Kamin bricht zusammen. Die Daten aus Puerto Rico zeigten laut Donnelly auch: "Geht der El Niño zurück, kommen wieder Hurrikane." So wie derzeit.
Den Vereinigten Staaten stehe dieses Jahr eine heiße Wirbelsturm-Saison bevor, warnten kürzlich US-Meteorologen. Mittlerweile relativierte die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) dies zwar quantitativ, aber auch die US-Wetterbehörde geht immer noch von einer 75-prozentigen Chance für eine überdurchschnittliche Saison aus. Im vergangenen Dezember und Januar sei der El Niño im tropischen Pazifik nur schwach bis mittelstark gewesen, deswegen nehme gerade die Wirbelsturmaktivität im Nordatlantik zu. Mehr starke Stürme, mehr Hurrikane und mehr sogenannte Landfalls lautete die Prognose. Der erste Tropensturm kam denn auch besonders früh.
Auch auf El Niño scheint sich die globale Erwärmung auszuwirken, die Frage ist nur: Wie? "Ob der Klimawandel für mehr El Niño oder doch noch für mehr Hurrikane sorgen wird", so Donnelly, "wissen wir noch nicht." Um Änderungen der Hurrikanintensität überhaupt vorhersagen zu können, müsse man El Niño genauer untersuchen und besser verstehen - und auch die Auswirkungen der Erderwärmung auf den westafrikanischen Monsun.