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Rüstiger Albatros: Mit 60 Jahren erneut Mutter

Foto: USFWS / John Klavitter

60-jähriger Albatros Uralt-Mama freut sich über Nachwuchs

Sie ist der älteste Wildvogel, den US-Biologen je beobachtet haben - aber das Albatros-Weibchen Wisdom ist erstaunlich rüstig: Die 60-Jährige zieht gerade wieder ein Junges auf. Das Leben der Vogeldame ist eine Aneinanderreihung von Rekorden.

Im Jahr 1956 traten in Deutschland die ersten Soldaten der Bundeswehr zum Dienst an, in Monaco heiratete Grace Kelly Fürst Rainier III., in den USA war Dwight D. Eisenhower Präsident. Und ein Biologe streifte auf einer der Nordwestlichen Hawaii-Inseln  einem brütenden Laysan-Albatros zur Markierung einen Ring über den Fuß.

2011 ist die Wehrpflicht in Deutschland abgeschafft und weder Grace Kelly, Fürst Rainer oder Eisenhower sind noch am Leben. Aber Wisdom, das unverwüstliche Albatros-Weibchen, zieht auf dem Midway-Atoll wieder ein Junges auf, berichten Biologen des U.S. Geological Survey.

Wisdom, zu deutsch: Weisheit, ist der älteste Wildvogel, den kanadische und US-Biologen je beobachten konnten. "Es ist unbeschreiblich, dass sie mit mehr als 60 Jahren noch erfolgreich Junge großziehen kann", sagt Bruce Peterjohn. Der Forscher leitet das nordamerikanische Vogelmarkierungsprogramm, das seit rund 90 Jahren läuft.

Wie alt Wisdom ganz genau ist, das wissen die Biologen leider nicht. Aber ihr Mindesalter lässt sich bestimmen: Laysan-Albatrosse brüten frühestens im Alter von fünf Jahren, meist erst als Acht- oder Neunjährige zum ersten Mal. Die Vogeldame wäre demnach mindestens 60, wahrscheinlich ist sie sogar ein paar Jahre älter. Der älteste in Europa bekannte Wildvogel ist nach Angaben der Organistation "Euring"  ein in Großbritannien gesichteter Atlantiksturmtaucher - mit mindestens 50 Jahre und elf Monaten.

Vier- bis sechsmal zum Mond und zurück

Erstaunlich erscheinen auch weitere Eckdaten ihres langen Vogellebens, die der U.S. Geological Survey hochgerechnet hat. Drei bis fünf Millionen Kilometer, vielleicht sogar mehr dürfte Wisdom geflogen sein - das entspricht mehr als vier bis sechs Flügen zum Mond und zurück. Laysan-Albatrosse legen gigantische Strecken zurück. Bekannt ist, dass Tiere, die auf den Nordwestlichen Hawaii-Inseln brüten, bei der Nahrungssuche quer über den nordöstlichen Pazifik bis in den Golf von Alaska fliegen. Auch wenn die schweren Albatrosse bei Start und Landung eher tollpatisch wirken, sind sie dank ihrer großen Spannweiten in der Luft hervorragende Segelflieger - wahrscheinlich können sie sogar im Flug schlafen.

Wisdom dürfte außerdem mindestens 30 bis 35 Junge großgezogen haben - Albatrosse legen nur ein Ei pro Jahr und das Ausbrüten sowie die Aufzucht des Kükens nehmen mehr als zwei Drittel eines Jahres in Anspruch. Manchmal legen die Eltern ein Jahr Pause ein, ehe sie sich erneut paaren. John Klavitter, stellvertretender Leiter des Midway-Atoll-Nationalparks, berichtet, dass Wisdom 2006, 2008, 2009 und 2010 ebenfalls gebrütet hat.

Und falls ihre Nachkommen im Alter von acht bis neun Jahren jeweils erfolgreich ein Küken aufgepäppelt haben, könnten inzwischen Ur-ur-ur-ur-ur-Enkel von Wisdom auf der Jagd nach Fischen, Weich- oder Krebstieren über den Pazifik gleiten. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass ein Teil ihrer Nachkommen frühzeitig ums Leben gekommen ist. Über Jahre sind viele Albatrosse der Langleinenfischerei zu Opfer gefallen, weil sie Köder geschluckt haben und ertranken. Inzwischen greifen Schutzmaßnahmen, die das Risiko für die Vögel senken. Auf dem Midway-Atoll stirbt zudem ein Teil der Jungvögel an Bleivergiftung - das giftige Metall stammt aus früher genutzter Farbe. Und auch der Plastikmüll in den Meeren macht den Tieren zu schaffen.

Wisdom allerdings scheint all das zu überstehen. Ob sie ihre Küken über all die Jahre mit demselben Partner aufgezogen hat, ist nicht bekannt. Laysan-Albatrosse bilden Paare fürs Leben, es wäre also möglich. Vielleicht hat die rüstige Wisdom aber auch mehrere Beziehungen geführt. Fünf Ringe hat sie seit ihrer ersten Markierung jedenfalls verschlissen.

wbr

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