Von Storch vs. von Storch "Unsere Familie hat keine obrigkeitsstaatliche Tradition"

Der Klimaforscher Hans von Storch kritisiert seine Verwandte, die AfD-Vizevorsitzende Beatrix von Storch. Und er zerpflückt das wunderliche Klimaprogramm der AfD.
Zur Person
Foto: Hans von Storch

Hans von Storch war bis zu seiner Emeritierung Ende 2015 Direktor am Institut für Küstenforschung des Helmholtz Zentrums in Geesthacht bei Hamburg und zugleich Professor an der Universität Hamburg; an beiden Instituten wirkt er nun als Berater. Seine Spezialgebiete sind Klimastatistik und die Simulation des Klimawandels. Von Storch  ist derzeit Gastwissenschaftler an der China Ocean University in Qingdao in China.

Ein renommierter Klimaforscher verfolgt die Debatte um die AfD mit besonderer Anteilnahme: Hans von Storch, ein profilierter Kritiker seiner Zunft. Beatrix von Storch, seine angeheiratete Nichte, sorgt als stellvertretende AfD-Vorsitzende mit umstrittenen Thesen für Schlagzeilen.

Die AfD greift nun in das Fachgebiet von Hans von Storch ein: Die Partei versucht sich mit eigenartigen Thesen in der Klimapolitik zu positionieren: In einem Programmentwurf  wird der Klimawandel bestritten, Erkenntnisse der Klimaforschung grundlegend abgelehnt.

Beide von Storchs sind nahe verwandt: Beatrix hat 2010 in die Familie eingeheiratet, sie ehelichte Hans von Storchs Neffen Sven. Geboren wurde Beatrix von Storch als Herzogin im Hochadelsgeschlecht von Oldenburg.

Im Interview erzählt Klimaforscher Hans von Storch, wie er zu der AfD-Politikerin steht - und was er von der Klimapolitik der AfD hält.

SPIEGEL ONLINE: Herr von Storch, bislang waren Sie der aktuell Bekannteste Ihres Namens. Jetzt hat eine Verwandte Sie übertroffen, die Berliner AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch, Ihre angeheiratete Nichte. Ärgern Sie sich?

Hans von Storch: Ich höre in den Medien jetzt ständig von einer Frau von Storch, das ist in der Tat etwas irritierend. Frau von Storch ist für mich meine Frau. Die interessiert sich aber für Klimaturbulenz, nicht für Grenzsicherung.

SPIEGEL ONLINE: Kennen Sie Ihre Nichte überhaupt?

von Storch: Wir haben uns einmal getroffen.

SPIEGEL ONLINE: Und was halten Sie voneinander?

von Storch: Was sie sagt, teile ich nicht, die Anschauungen der AfD sind mir überhaupt vollkommen fremd. Aber auch für Beatrix von Storch gilt das Gesetz der freien Meinungsäußerung; was sie tut, ist ihr gutes Recht. Es ist aber auch mein gutes Recht, ihren Aussagen nicht zuzustimmen.

SPIEGEL ONLINE: Sieht das auch Ihre Familie so?

von Storch: Manche sind vielleicht etwas genervt darüber, dass unser Name jetzt so häufig in den Medien genannt wird in Zusammenhang mit der AfD. Die von Storchs haben keine obrigkeitsstaatliche Tradition und schon gar keine militaristische. Wir sind bisher weder negativ noch positiv sonderlich aufgefallen.

SPIEGEL ONLINE: Also ist Ihnen die Weltanschauung Ihrer Nichte zu konservativ?

von Storch: Wollen wir mal so sagen: Wäre sie nicht so konservativ, hätte sie womöglich nicht trotz ihrer prominenten Herkunft den Namen ihres Mannes angenommen, den meines Neffen. Dann bräuchten wir jetzt nicht über sie zu sprechen.

SPIEGEL ONLINE: Jetzt greift die AfD aber auch noch in Ihr Fachgebiet ein, in die Klimaforschung. In einem AfD-Programmentwurf wird der menschengemachte Klimawandel als Märchen abgetan, das Treibhausgas CO2 als nützlicher Pflanzendünger bezeichnet, die Klimaprognose-Modelle als Unfug und Klimaschutz als gesellschaftsschädlich. Hätte Ihre Nichte Sie nicht vorher fragen können?

von Storch: Was die AfD da zum Klimawandel schreibt, ist pure Ideologie. Mich erinnert es an das Gedicht "Die unmögliche Tatsache" von Christian Morgenstern.

SPIEGEL ONLINE: Darin kommt ein Opfer eines Autounfalls zu dem Ergebnis, dass er gar keinen Unfall hatte, weil am Unfallort keine Autos fahren durften…

von Storch: "Und er kommt zu dem Ergebnis: 'Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil', so schließt er messerscharf, 'nicht sein kann, was nicht sein darf.'" Ähnlich denkt anscheinend die AfD: Sie lehnt die Klimaschutzpolitik ab, deshalb muss auch die Wissenschaft falsch sein, die auf diese Politik verweist. Das ist klassischer, unreflektierter Skeptizismus.

SPIEGEL ONLINE: Die AfD bekämpft die Wissenschaft, meint aber die Politik?

von Storch: Ja. Dabei ist es generell Unfug anzunehmen, aus wissenschaftlichen Ergebnissen folge eine bestimmte Politik. Die Wissenschaft macht keine politischen Vorgaben, es gibt immer mehrere Möglichkeiten, Politik so zu gestalten, dass sie konsistent mit den wissenschaftlichen Ergebnissen ist. Die Auswahl ist eine politische, sie spiegelt vor allem gesellschaftliche Werte und Präferenzen. Politisch legitim wäre die Haltung: Wir finden die Beweise unzureichend und warten daher noch mal ab. Was die AfD stattdessen sagt: Die Politik ist falsch und schädlich. Um das zu begründen, erklären sie die Wissenschaft für falsch.

SPIEGEL ONLINE: Sie selbst haben die Klimaforschung ja immer wieder kritisiert und auf die erheblichen Unsicherheiten des Wissens hingewiesen . Nutzt die AfD jetzt Ihre Vorarbeit?

von Storch: Nein, die Argumente der AfD in Sachen Klimawandel beruhen nicht auf Wissenschaft. Es sind eher Stammtischparolen der Achtziger- und Neunzigerjahre.

SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel?

von Storch: Die AfD schreibt, Klimamodelle seien falsch, weshalb der Klimawandel nicht bewiesen sei - das ist eine erschreckend ahnungslose Haltung. Einerseits haben die Modelle zwar Mängel, sie sind ja nur ein reduziertes Abbild der Realität, doch sie liefern brauchbare Ergebnisse. Zudem gibt es viele andere Indizien für einen menschengemachten Klimawandel, die von der AfD ignoriert werden. Ironischerweise scheint die AfD damit ja auch fälschlich der These zuzustimmen, dass die gegenwärtige Klimaschutzpolitik folgerichtig und zwingend wäre, sofern die Modelle perfekt wären. Aber eindeutige Ableitungen aus der Wissenschaft für die Politik gibt es eben nicht.

SPIEGEL ONLINE: Warum finden solche Parolen noch immer Gehör? Haben Klimaforscher nicht genügend aufgeklärt?

von Storch: Das glaube ich nicht. Ich sehe oft eher das Problem einer Überverkaufe der Ergebnisse der Klimaforschung: Manche Forscher haben die Robustheit unserer Ergebnisse übertrieben dargestellt und zu wenig auf Unsicherheiten der Erkenntnisse hingewiesen. Damit haben sie Vertrauen verspielt - und Zweifler erschaffen, Klimaskeptikerpropaganda regelrecht den Boden bereitet. Gestärkt wurden die Skeptiker auch dadurch, dass sie von Klimaforschern lautstark bekämpft wurden - so wurden die Skeptiker bekannt und trotz intellektuellen Siechtums immer wieder zum Leben erweckt.

SPIEGEL ONLINE: Wäre es vielleicht das Einfachste, Sie würden Ihre Nichte im persönlichen Gespräch über den Klimawandel aufklären?

von Storch: Ich glaube nicht, dass das Thema Klimapolitik ein wesentliches Element der AfD-Politik ist; im Programmentwurf ist ja auch nur knapp eine Seite diesem Thema gewidmet. Tatsächlich geht es der AfD ja um eine Rückkehr zu vorgeblich guten alten Zeiten von Friede, Freude, Eierkuchen, wo Dinge nicht dauernd hinterfragt werden - und wo das Wetter ist, wie es ist.

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