
Schlaue Affen: Paviane beim Lesetraining
Spektakuläres Experiment Paviane lernen ein bisschen lesen
Dan sitzt vorm Monitor, die Buchstabenkombination "LONS" erscheint. Mit einer schnellen Bewegung drückt er auf ein Pluszeichen - er signalisiert damit, dass es sich dabei um kein Wort handelt. Auch die nächsten unsinnigen Buchstabenfolgen verwirft er. Erst als das englische Wort "DONE" auftaucht, drückt er auf ein grünes Oval.
Dan ist ein Pavian. Einer von sechs, die in einem Experiment von Jonathan Grainger von der Aix-Marseille Université und seinen Kollegen die Grundlage des Lesens erlernt haben: Die Affen können Wörter von Nicht-Wörtern unterscheiden. Mit einer Trefferquote von 75 Prozent liegen sie ganz klar über zufällig erreichten Erfolgsraten.
Innerhalb von sechs Wochen lernten die Paviane mindestens 81 Wörter. Dan konnte sogar 308 in einer Flut von mehr als 7000 Nicht-Wörtern identifizieren. Das Erstaunliche: Selbst neue, nie zuvor gesehene Wörter konnten die Affen häufig anhand typischer Buchstabenfolgen von Nicht-Wörtern unterscheiden, berichten die Forscher im Wissenschaftsmagazin "Science" .
Das deute darauf hin, dass die Paviane auch gelernt hatten, dass bestimmte Buchstabenkombinationen statistisch besonders häufig oder aber nie in den echten Worten vorkamen. In englischen Wörtern findet sich beispielsweise oft die Kombination "SH", "FX" dagegen nicht. Diese Art statistischen Lernens sei möglicherweise sogar ein universeller, bei verschiedenen Tierarten vorkommender Mechanismus, meinen die Forscher.
Gängige Lehrmeinung widerlegt
Noch bevor wir den Sinn eines Wortes erfassen, weiß unser Gehirn, ob es sich um ein Wort unserer Sprache handelt. Es erkennt die Form der Zeichen und ihre Position als Buchstaben und Wortteile. Gleichzeitig registriert das Gehirn auch, ob diese Buchstabenkombination in unserer Sprache üblich ist. Diese Fähigkeit der Worterkennung galt bisher als untrennbar mit der Fähigkeit zur Sprache verbunden.
Der Pavian-Versuch hat die gängige Lehrmeinung widerlegt. Er belege, dass vorheriges Sprachwissen keine Voraussetzung sei, um orthografische Zeichen ähnlich wie der Mensch zu verarbeiten, schreiben die Forscher. Paviane seien auf ähnliche Weise wie der Mensch sensibel für die Grundmerkmale einer Schrift, meinen die Forscher
Die sechs Paviane hatten in einem Gehege freien Zugang zu mehreren Touchscreens. Sie beschäftigten sich damit nur, wenn sie wollten - der engagierteste Pavian kam so auf 3000 Worttests an einem Tag, der am wenigsten interessierte auf 400.
Auf den Monitoren erschien in zufälliger Reihenfolge entweder ein englisches, aus vier Buchstaben bestehendes Wort oder eine gleichlange sinnlose Buchstabenkombination.
Die echten Wörter wurden im Verlauf von 100 Trainingsdurchgängen nacheinander eingeführt und dann jeweils mehrfach wiederholt, die Nicht-Wörter tauchten jeweils nur einmal auf. Nach jeder Zeichenfolge sollten die Paviane durch Berühren zweier Symbole entscheiden, ob sie ein echtes Wort oder ein Nicht-Wort gesehen hatten. Bei richtiger Entscheidung erhielten sie Futter als Belohnung. Ähnlich wie beim Menschen war die Anzahl der Fehler umso größer, je ähnlicher die Nicht-Wörter tatsächlich existierenden englischen Begriffen waren.
Vom richtigen Lesen seien die Affen dennoch weit entfernt, sagt Grainger. Sie verstünden ja nicht, was die Wörter bedeuten, sondern zerlegten sie einfach in ihre Bestandteile.