Umweltschutz Onlinehandel führt zu mehr Papiermüll

Alle reden über Plastikmüll - über Verpackungen aus Papier spricht dagegen kaum jemand. Dabei wächst der Berg aus Pappschachteln, Tüten und Kartons rasant.
Von Ann-Kathrin Marr
Altpapier

Altpapier

Foto: Sina Schuldt/ picture alliance / Sina Schuldt/dpa

Elektrogeräte, Klamotten oder Schuhe: Was der Versandhandel liefert, steckt meistens in Pappkartons. Auch eine Pizza zum Mitnehmen oder das Asia-Menü für unterwegs sind in Pappschachteln und Papiertüten verpackt.

"Es wird kaum registriert, dass nicht nur Kunststoff- sondern auch Papierverpackungen deutlich zunehmen", sagt Kurt Schüler von der GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung mbH, die zahlreiche Studien zu dem Thema durchführt.

Unter dem Begriff Papier fassen Experten die sogenannte PPK-Fraktion zusammen, also alle Verpackungen aus Papier, Wellpappe und Karton. Und diese Materialien machten 2016 mit knapp 45 Prozent und 8,1 Millionen Tonnen den Löwenanteil des Verpackungsmülls in Deutschland aus. Kunststoff kommt auf 17 Prozent und 3,1 Millionen Tonnen.

Immer mehr Kartons

In beiden Bereichen steigt die Abfallmenge rasant. In den vergangenen zehn Jahren hat der Verpackungsmüll aus Plastik um 1,56 Millionen Tonnen zugenommen, der aus Papier sogar um 2,75 Millionen Tonnen.

Während früher vor allem Zeitungen und Zeitschriften, also grafische Papiere, in der Altpapiertonne landeten, türmen sich dort inzwischen massenhaft Tüten, Schachteln und Kartons. "Der Verbrauch an grafischen Papieren geht immer weiter zurück, während der von Verpackungspapier steigt", sagt Gregor Andreas Geiger vom Verband Deutscher Papierfabriken. Hierzulande stellt die Papierindustrie bereits zu über 50 Prozent Verpackungspapiere her, Tendenz steigend.

Verglichen mit Plastik gilt Papier als umweltfreundlich, weil es sich gut recyceln lässt. Durchschnittlich sechs Mal werden die Fasern zu neuen Tüten, Kartons oder Papier verarbeitet. Angesichts des hohen Verbrauchs an Energie und Wasser in der Papierherstellung ist das sinnvoll und notwendig.

Großer Ressourcenaufwand

Um ein Kilogramm Papier aus frischen Fasern herzustellen, braucht man laut Umweltbundesamt (UBA) 50 Liter Wasser. Der Energieaufwand ist ungefähr so hoch wie in der Stahlproduktion. "Die Papierindustrie gehört zu den energieintensivsten Branchen in Deutschland", sagt Almut Reichart, UBA-Expertin für die Zellstoff- und Papierindustrie.

Beim Recycling lassen sich zwar immerhin 60 Prozent Energie und 80 Prozent Wasser sparen. Der Aufwand bleibt dennoch immens - und er ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.

Der wachsende Versandhandel gilt als Hauptverursacher des wachsenden Papiermülls. Einige Händler arbeiten mit nur wenigen Verpackungsgrößen, sodass der Kunde die bestellte Armbanduhr im riesigen Karton suchen muss wie die Stecknadel im Heuhaufen.

Pakete in einer Zustellbasis der Deutschen Post (Archiv)

Pakete in einer Zustellbasis der Deutschen Post (Archiv)

Foto: Rolf Vennenbernd/ picture alliance / Rolf Vennenbernd/dpa

Bei Elektrogeräten wird die Verkaufsverpackung oft von vornherein an den Bedürfnissen des Onlinehandels ausgerichtet, beobachtet Kurt Schüler. "Viele Hersteller verpacken ihre Ware so, dass sie sowohl über den Versandhandel als auch im Elektrofachmarkt verkauft werden kann." Das führe insgesamt zu aufwendigeren Verpackungen.

Eine wichtige Rolle spielt aber auch das Kaufverhalten der Kunden. "Insgesamt wird immer mehr bestellt und verschickt, die einzelnen Versandeinheiten werden aber kleiner", so Schüler.

Auch die veränderten Essgewohnheiten schlagen sich in der Verpackungsstatistik nieder. Weil zunehmend außer Haus verzehrt oder fertig portioniert gekauft wird, wächst die Zahl der Kaffeebecher, Pappteller und Menüboxen. Sie bestehen oft aus sogenannten Verbundmaterialien auf Papierbasis, die sich nur eingeschränkt recyceln lassen. Und ihr Verbrauch hat zwischen 2009 und 2016 um über 30 Prozent zugenommen.

Gebühr für Verpackungen?

Am steigenden Verbrauch von Papierverpackungen wird sich auch mit dem neuen Verpackungsgesetz  kaum etwas ändern. Es tritt am 1. Januar 2019 in Kraft und führt unter anderem neue Vorgaben für Händler und Hersteller ein. Diese müssen ihre Verpackungen zukünftig an eine zentrale Stelle melden. Betroffen davon sind auch Onlinehändler, die verpackte Produkte an Endkunden verschicken und bisher zum Teil noch keine Gebühren für das Recycling zahlen.

Dass Hersteller oder Händler deshalb Verpackungen einsparen, glaubt Schüler aber nicht. "Die Beteiligungsentgelte schlagen oft nur im niedrigen Prozentbereich auf das Produkt oder die Verpackung durch. Wenige würden auf die Idee kommen, wegen der Entgelte ihr Verpackungssystem zu ändern."

Auch Benjamin Bongardt, Experte für Ressourcenpolitik beim Naturschutzbund Deutschland, sieht das neue Verpackungsgesetz kritisch. "Die Herausforderung bei Papierverpackungen ist definitiv die Reduktion des Materials, und zwar nicht nur über die Verpackungsgröße, sondern auch über weniger Verpackungen, zum Beispiel durch Mehrwegversandboxen", sagt er.

Für solche Modelle setzt das Verpackungsgesetz keine Anreize. Und die Händler selbst haben wenig Interesse, ein arbeitsaufwendiges Mehrwegsystem aufzubauen.

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