Satellitenbild der Woche Vom Klimawunder zum Klimasünder

Die Permafrostböden der Arktis dienten über Jahrtausende als gewaltige Kohlenstoffspeicher. Inzwischen geben sie größere Mengen des Stoffs in Form von CO2 frei, als sie aufnehmen - und heizen das Klima an.
Jährliche Winter-CO2-Emissionen aus dem arktischen Permafrostboden von 2003 bis 2017: Wissenschaftler schätzen, dass der Permafrost mehr Kohlenstoff speichert, als bislang vom Menschen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt wurde

Jährliche Winter-CO2-Emissionen aus dem arktischen Permafrostboden von 2003 bis 2017: Wissenschaftler schätzen, dass der Permafrost mehr Kohlenstoff speichert, als bislang vom Menschen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt wurde

Foto: NASA

In den Böden der Arktis sind große Mengen Kohlenstoff gespeichert. Der Klimawandel könnte dort zu einer dramatischen Kettenreaktion führen: Taut der Boden, weil es im Mittel wärmer wird, entweicht der Kohlenstoff (C) als CO2 in die Atmosphäre - und treibt den globalen Temperaturanstieg voran.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass im arktischen Winter derzeit mehr Kohlenstoff als CO2 in die Atmosphäre gelangt, als Pflanzen im Sommer in der Region aufnehmen. Die Arktisböden verlören damit ihre Tausende Jahre alte Funktion als Kohlenstoffspeicher, berichten Forscher um Susan Natali vom Think Tank Woods Hole Research Center im Fachmagazin "Nature Climate Change" .

1,7 Milliarden Tonnen Kohlenstoff habe der arktische Permafrostboden in den Wintern der Jahre 2003 bis 2017 jährlich verloren. Gleichzeitig habe die Vegetation in den Sommern nur eine Milliarde Tonnen Kohlenstoff im Jahr aufgenommen. Unterm Strich gelangten aus der ehemaligen Kohlenstoffspeicher-Region also jährlich 0,7 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von CO2 in die Atmosphäre.

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Foto: Joshua Stevens/ NASA

Der Permafrost am nördlichen Polarkreis wandele sich damit von einer Netto-Kohlenstoff-Senke zu einer Netto-Kohlenstoff-Quelle, schreibt die Nasa . Die von der Weltraumagentur erstellte Karte oben zeigt die ermittelten jährlichen Winter-CO2-Emissionen aus dem arktischen Permafrostboden von 2003 bis 2017. Sie basiert auf Daten, die 70 Forscher aus unterschiedlichen Quellen gesammelt haben.

Permafrost speichert mehr Kohlenstoff, als die Industrie je emittiert hat

Ein Viertel der Landoberfläche in der nördlichen Hemisphäre besteht aus Permafrostboden - auch als Dauerfrostboden bezeichnet. Die bei entsprechenden Temperaturen das ganze Jahr über gefrorene Erde bedeckt weite Teile Alaskas, Kanadas, Sibiriens und Grönlands.

Wissenschaftler schätzen, dass der Permafrost mehr Kohlenstoff speichert, als bislang vom Menschen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt wurde. Bei Tauwetter werden Teile davon als CO2 oder Methan frei. In Klimaprognosen wird das bislang meist nicht berücksichtigt.

"Laut unserer Analyse kompensiert der CO2-Verlust im Winter bereits die CO2-Aufnahme in der Vegetationsperiode im Sommer", so Natali. Der Effekt werde sich noch verstärken, wenn sich das Klima weiter erwärmt. Nach Angaben der Forscherin liefert die Analyse die erste winterliche Kohlenstoffbilanz für die gesamte Arktis. Zuvor seien nur Teilbereiche ausgewertet worden.

Hochrechnungen der Forscher legen nahe, dass der Kohlenstoffverlust innerhalb der nächsten hundert Jahre um 41 Prozent zunehmen könnte, wenn die menschengemachten Treibhausgasemissionen in ihrer aktuellen Geschwindigkeit zunehmen. Gelinge es der Menschheit, ihren Ausstoß zu reduzieren, ließe sich der Wert deutlich reduzieren.

jme
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