Messflüge an der Framstraße Arktis teils 20 Grad wärmer als erwartet

Drastische Erwärmung in der Arktis: Bei Messflügen registrierten Wissenschaftler beunruhigend hohe Temperaturwerte. Das wirkt sich womöglich auch auf unser Wetter aus.
Eisberg am Uummannaq-Fjord im Norden Westgrönlands

Eisberg am Uummannaq-Fjord im Norden Westgrönlands

Foto: UIG / IMAGO

Im Zeichen des Klimawandels erwärmt sich keine Region der Erde so schnell wie die Arktis. Die Durchschnittstemperaturen steigen, zudem schwindet das Meereis. Zuletzt wurde die Region von einer Wärmewelle erfasst. In Ny-Ålesund auf Spitzbergen wurde die Rekordtemperatur von 5,5 Grad Celsius erreicht, 17 Grad höher als gewöhnlich zu dieser Jahreszeit.

Nun berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von weiteren beunruhigenden Messergebnissen. Wie Flüge mit dem Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) gezeigt haben, war die Oberflächentemperatur in der Framstraße, einer Meeresregion zwischen der Grönlandsee im Nordatlantik und der Wandelsee im Arktischen Ozean, Mitte März an manchen Stellen um mehr als 20 Grad höher, als es die Langzeitaufzeichnungen nahegelegt hatten. Zudem beobachteten die Forscher mehrere ungewöhnliche Phänomene wie etwa massive Wolken, die fast so hoch wie in den Tropen hingen. Dazu regnete es teils stark auf das Meereis.

Der Temperaturanstieg könnte schwerwiegende Auswirkungen auf ein mögliches frühes Abschmelzen des Meereises haben, und das bereits Mitte März. So steht es in einer gemeinsamen Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz sowie mehrerer Forschungsinstitute, darunter die Universitäten Leipzig, Hamburg und Köln sowie das Alfred-Wegener-Institut (AWI), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (Tropos).

Die Beobachtungen sind Teil der groß angelegten, internationalen Forschungskampagne »HALO-(AC)3« , bei der mehr als hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zwölf Ländern im Einsatz sind. Neben der HALO, die von Kiruna in Schweden Richtung Arktis fliegt, sollen auch zwei weitere Flugzeuge eingesetzt werden, die »Polar 5« und die »Polar 6«. Diese Flüge sind nötig, da es in der Arktis nur wenige meteorologische Messstationen gibt. Bei den Messungen per Flugzeug wollen die Forscher die Flugroute an die Zugrichtung der Luftmassen anpassen und die Veränderungen von Wolken, Feuchtigkeit, Temperatur und vielen weiteren Parametern erfassen.

»HALO wird in größeren Höhen als Fernerkundungsplattform operieren, denn es ist in der Lage, in Höhen von bis zu 15 Kilometern lange Strecken von bis zu 10.000 Kilometern zurückzulegen«, so DLR-Forscher Andreas Minikin. Die beiden anderen Maschinen vom Typ »Basler BT-67« fliegen für ihre Messungen eher in niedrigen Höhen. Insgesamt laufen die Messflüge bis Mitte April. Bis Mitte Mai sind auch Ballonmessungen in Spitzbergen geplant.

Neben den nordwärts gerichteten Warmlufteinschüben in der zentralen Arktis sollen bei dem Projekt Kaltluftausbrüche in Richtung Süden erkundet werden. So wollen die Forscher mehr über Veränderungsprozesse erfahren, die zum in den letzten Jahrzehnten beobachteten überdurchschnittlichen Temperaturanstieg in der Region geführt haben. Das wirkt sich nicht nur auf die Arktis selbst aus. Auch das heimische Wetter in den mittleren Breiten kann durch den Temperaturanstieg dort beeinflusst werden.

Die Arktis erwärmt sich mit zwei bis drei Grad Celsius über dem Mittelwert in den letzten 50 Jahren viel stärker als andere Teile der Erde. Dadurch hat die Ausdehnung und Qualität der Eisdecke auf dem Meer abgenommen. Das führe auch dazu, dass sich die arktischen Gewässer aufwärmen, da Sonnenlicht nun vom Ozean aufgenommen wird, statt an der Eisoberfläche zu reflektieren. Zudem sind die Gletscher Grönlands seit Jahren auf dem Rückzug. Wasser, das von dort ins Meer fließt, trägt zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Nach Schätzungen lagert in der Schnee- und Eisdecke Grönlands so viel Wasser, dass ein Abschmelzen den globalen Meeresspiegel um 7,4 Meter anwachsen lassen würde.

joe
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