Analyse von Daten aus Afrika So viele Tiere sterben im Krieg

Wie entwickeln sich Tierbestände in Kriegsgebieten? Ökologen haben Daten der letzten 60 Jahre aus afrikanischen Nationalparks ausgewertet - und kommen zu einem erschreckenden Ergebnis.
Elefant in Kenia

Elefant in Kenia

Foto: BAZ RATNER/ REUTERS

Kriege dezimieren Tierpopulationen in Schutzgebieten deutlich - lassen aber meist keine Arten aussterben. Das berichten Forscher nach einer Analyse der bewaffneten Konflikte in Afrika von 1946 bis 2010.

Demnach können sich die dezimierten Bestände in Friedenszeiten unter günstigen Umständen wieder erholen. Das sei insbesondere deshalb wichtig, weil viele bewaffnete Konflikte Länder in Afrika und Asien betreffen - also Regionen mit großer Artenvielfalt.

"Zwischen 1950 und 2000 haben sich mehr als 80 Prozent der Kriege mit Hotspots des Artenreichtums überlappt", berichten  die Ökologen Joshua Daskin und Robert Pringle von der Princeton University (US-Staat New Jersey) im Wissenschaftsmagazin "Nature".

Die beiden Forscher hatten analysiert, welche Folgen bewaffnete Konflikte zwischen 1946 bis 2010 für die afrikanische Tierwelt hatten. In dieser Zeit erkämpften sich zunächst viele Staaten die Unabhängigkeit von der jeweiligen Kolonialmacht, danach folgten oft lange Bürgerkriege.

Dauer, Häufigkeit und Intensität solcher Konflikte glichen Daskin und Pringle mit Daten zur Bestandsentwicklung großer Pflanzenfresser wie Antilopen, Elefanten oder Giraffen ab.

Eingeschlossen waren zunächst knapp 3600 Schutzgebiete in 51 afrikanischen Ländern, am Ende konzentrierten sich die Forscher auf 253 Tierpopulationen in 126 Schutzgebieten von 19 Staaten.

Soldaten jagen Tiere

Insgesamt waren zwischen 1946 und 2010 fast drei Viertel (71 Prozent) der Schutzzonen von Kriegen betroffen - manchmal über Jahrzehnte. Während dieser Zeiten gingen die Bestände zurück, selbst bei weniger intensiven Auseinandersetzungen.

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Wildtiere: Bedrohte Arten

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Die Kriege hatten einen stärkeren Einfluss auf die Tierbestände als etwa Dürren oder Bergbau. Die Forscher führen dies zum einen auf die Kampfhandlungen selbst zurück, aber auch auf Tierjagd durch Soldaten oder vertriebene Menschen sowie auf den Handel mit wertvollen Tierteilen wie Elfenbein, um den Krieg zu finanzieren.

Belege für die Vermutung, dass sich manche Tierpopulationen im Schatten kriegerischer Auseinandersetzungen ungestört vergrößern, fanden die Wissenschaftler eher nicht.

"Obwohl einzelne Konflikte sowohl positive als auch negative Folgen auf Wildtierbestände haben können, zeigen wir, dass der vorherrschende Trend negativ ist", schreibt das Team. Selbst wenig intensive Konflikte reichten aus, um Tierpopulationen zu reduzieren.

Nach dem Ende der Kämpfe könnten sich die Bestände aber wieder erholen, schreiben die Autoren. "Auch wenn die Säugetier-Populationen in Kriegsgebieten zurückgehen, sterben sie nicht aus", betont Daskin.

Tod im Nationalpark

"Mit den richtigen Strategien und Ressourcen sollte es oft möglich sein, den Rückgang umzukehren und funktionelle Ökosysteme wiederherzustellen, selbst in historisch konfliktträchtigen Regionen."

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Nördliches Breitmaulnashorn: Die letzten ihrer Art

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Als Beispiel nennen die Forscher den Gorongosa Nationalpark in Mosambik. In dem südafrikanischen Land kämpften Befreiungsbewegungen seit 1962 gegen die portugiesische Kolonialmacht und errangen 1975 die Unabhängigkeit. Danach herrschte bis 1992 Bürgerkrieg.

Während dieser Zeit wurde in dem 1960 gegründeten Nationalpark ein großer Teil der Wildtiere getötet, aber keine Art starb komplett aus. Bis zum Jahr 2004 waren die Bestände wieder auf etwa 80 Prozent der Werte vor den Kriegswirren gestiegen.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass man diese Entwicklung verallgemeinern kann", sagt Pringle. "Selbst in Gorongosa, wo die Wildtierbestände stark dezimiert wurden, ohne ausgerottet zu werden, können wir die Populationen wieder aufbauen und das Ökosystem wieder wachsen lassen."

Davon könnten dann auch die Menschen wirtschaftlich profitieren, die in dem Gebiet lebten und im Nationalpark Arbeit fänden.

Von Walter Willems, dpa/boj
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