Ausflug ins Innere der Tiere Rosa Rüssel, Flaum statt Fell - sensationelle Bilder aus dem Mutterleib
Wie ein grauer Dickhäuter sieht das Elefantenbaby nicht gerade aus: Die Haut leuchtet rosig und pfirsichfarben. Während neugeborene Menschenbabys allesamt eine blaue Iris haben, schimmern bei Hundeföten die Augenlider babyblau. Nur sehen konnte das bislang kein Mensch. Wie sollte man auch heranwachsende Hunde und Elefanten, Wale und Delfine im Leib ihrer Mütter betrachten?
Jetzt wurden just solche Anblicke zu einem einzigartigen, zweistündigen Film zusammengesetzt, "Animals in the Womb" - Tiere im Mutterleib. Am 10. Dezember strahlt der US-Fernsehsender "National Geographic Channel" den Einblick in die Bäuche trächtigen Tiere in den USA aus. Weihnachten wird er in Deutschland gesendet. Im Internet ist jetzt schon ein kurzes Video zu sehen. SPIEGEL ONLINE präsentiert daraus einzigartige Fotos, ein Blick ins Innere trächtigen Tiere.
Ohne den deutschen Tierarzt und Wissenschaftler Thomas Hildebrandt wäre diese Sendung wohl nie möglich geworden. Um die Jahrtausendwende hatte er zusammen mit zwei Kollegen vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin ein 3D-Ultraschallsystem so weiterentwickelt, dass man damit auch großen Säugetieren in die immer dicker werdenden Bäuche schauen konnte. Ein gewöhnliches Ultraschallgerät, mit dem schwangere Frauen untersucht werden, kann nur bis zu 15 Zentimeter tief blicken. Das reicht für Dickhäuter wie Elefanten natürlich nicht aus.
Erst Abführmittel, dann Schallkopf
Deswegen bekommt eine Elefantenkuh zunächst Abführmittel. Wenn ihr Darm leer ist, führt ein Tierarzt - mit einem Gummihandschuh, der bis zur Schulter reicht - den Schallkopf in den Enddarm ein. Mit einem gewöhnlichen 2D-Sonogramm werden Leber und andere innere Organe sichtbar, und auch Elefantenbabys sind ab der 17. Schwangerschaftswoche erkennbar.
Wenn der Fötus gut im Bild ist, wird er dann im dreidimensionalen Modus beschallt. Dabei entstehen bis zu 70 Schnittbilder. Diese werden am Computer zu einem 3D-Bild zusammengesetzt: Länge, Breite, Tiefe. Augen, Rüssel und Hautfalten werden sichtbar. Tierärzte können so auch medizinisch Auffälliges entdecken. Im Jahr 2000 sei ein Elefant als das erste nichtmenschliche Wesen mit dem 3D-Ultraschall untersucht worden, sagte Hildebrandt zu SPIEGEL ONLINE.
Die Aufnahmen sind fast so genau wie anatomische Präparate. Mit dem neuartigen 3D-Ultraschall hatten die deutschen Forscher Pionierarbeit geleistet - eigentlich um die Fortpflanzung von Elefanten, Pandas und Co. zu kontrollieren. Der "National Geographic Channel" nutzte diese Methode nun zum Filmemachen.
"Faszinierende Fakten über unsere evolutionäres Erbe"
Dazu war indes noch eine vierte Dimension nötig, die Zeit. 4D ist 3D in Echtzeit: So lässt sich beobachten, wie ein Elefantenbaby im Mutterleib den Rüssel schwingt, ein Hundebaby an der Tatze nuckelt und ein Delfin in der Fruchtblase regelrecht umherschwimmt. Der Film zeige auch, wie aus einer Eizelle und einer Samenzelle ein 118 Kilogramm schwerer Elefant entstehe, kündigt der Sender an.
"Mit dieser Qualität gibt es die Bilder erst seit einem Jahr", berichtet Hildebrandt. Er hatte zwischen Mitte 2005 und Sommer 2006 Delfine, Elefanten und Hunde, aber auch Hasen und Bonobo-Affen beschallt, die wissenschaftlichen Fakten für die Filmautoren geliefert und schließlich kritisch den Filmtext gegengelesen.
Im Zeitraffer der Entwicklung von der Zeugung bis zur Geburt kann man sogar sehen, wie der ungeborene Elefant Leitungsröhren wie ein Süßwasserfisch entwickelt, diese später aber wieder verschwinden. "Der Film zeigt faszinierende Fakten über unser evolutionäres Erbe", sagte Jeremy Dear von der Produktionsfirma des Films.
Ganz ohne Schummelei kommt "Animals in the Womb" dabei allerdings nicht aus: Hier wird nicht ein einziger Elefant beim Heranwachsen gezeigt, sondern eine Computeranimation aus Bildern mehrerer Elefantenbabys zusammengeschnitten. Auch die Farbe ist nicht echt: Ultraschall misst kein sichtbares Licht und liefert deswegen nur Schwarz-Weiß-Bilder. Ihre Farbe bekommen die Tiere am Computer - nicht natürlich, sondern digital.
Trotzdem scheinen die dargestellten Farbtöne durchaus realistisch: Die Farbgebung sei etwa durch Fehlgeburten in verschiedenen Entwicklungsstadien bekannt, sagte Hildebrandt. Und mit dem Schallkopf lasse sich auch die Richtung ausmachen, in die das Blut fließt - so kommt das Blutgefäß zu seiner charakteristischen roten oder blauen Färbung.
fba
"Animals in the Womb" wird in Deutschland am 24. Dezember um 21.10 Uhr unter dem Titel "Das Wunder des Lebens: Säugetiere" vom "National Geographic Channel" ausgestrahlt. Er ist als Pay-TV-Angebot im Kabelfernsehen empfangbar.