
Rosskastanie: Ein Traditionsbaum verschwindet
Baumsterben Warum die Kastanien verschwinden
Jetzt ist die Zeit, in der sich die Blätter der Bäume bunt färben. Die Farbstoffe in den Blättern - vor allem das gelbe Karotin und das rote Anthocyan - erzeugen schöne leuchtende Herbstfarben. Doch es gibt eine Gattung Baum, die vielerorts schon seit Wochen dunkelbraune Blätter aufweist: die Kastanie.
Bereits seit einigen Jahren kränkelt der Lieblingsbaum aller Kinder. Könnte die Rosskastanie bald ganz aussterben?
Gleich zwei Feinde setzen den stolzen Bäumen zu: die sogenannte Miniermotte und ein tückisches Bakterium namens Pseudomonas.
Dabei sind die Miniermotten noch das deutlich kleinere Übel: Es handelt sich dabei um ein Insekt, das bereits 1985 in Mazedonien entdeckt und erstmalig 1989 in Berlin festgestellt wurde und das vorwiegend weißblühende Rosskastanien befällt.
"An der Miniermotte ist noch keine Kastanie gestorben", sagt Stefanie Hahn vom Julius Kühn-Institut (JKI), das Kulturpflanzen in Deutschland erforscht. Die Larven der Miniermotte zerstören durch ihre Fresstätigkeit zwar das Innere der Blätter, was äußerlich an hellbraunen Flecken zu erkennen ist - doch selbst im Extremfall fallen dadurch die Blätter allenfalls vorzeitig ab.
Biologen sind machtlos
Der wahre Feind der Kastanie ist das Bakterium Pseudomonas, das nach Auskunft von Vanessa Assmann aus dem Baureferat der Stadt München mittlerweile europaweit grassiert. Wenn das Bakterium die Rinde befällt, entsteht ein rostbrauner bis schwarzer Ausfluss. Ist die Rinde abgestorben, siedeln sich rasch auch Pilze an, berichtet sie. Letztlich sterbe der Baum ab - manchmal innerhalb weniger Wochen.
Ein wirksames Mittel gegen Pseudomonas gibt es bislang nicht - wie auch gegen diverse andere Pflanzenkrankheiten. Die Entwicklung eines Pflanzenschutzmittels wäre theoretisch denkbar, aber aufwendig und teuer. Und selbst wenn eine Substanz zur Verfügung stünde - wer würde diese in dicht bevölkerten Städten einsetzen wollen? Ein Versprühen von Antibiotika etwa ist kaum vorstellbar - unter anderem wegen des Problems der Resistenzen bei Mensch und Tier.

Rosskastanie: Ein Traditionsbaum verschwindet
"Weil sich über die Weiterentwicklung der Krankheit nichts sagen lässt, pflanzt die Stadt München Kastanien nur noch in besonderen Fällen, meist als einzeln stehende Bäume, sogenannte Solitäre", sagt Assmann. Aus Hamburg und anderen Regionen der Republik hört man Ähnliches. "Man muss anerkennen, dass man dagegen leider nichts machen kann", sagt Herbert Lohner, Referatsleiter Naturschutz beim BUND.
Mitbringsel vom Balkan
Dabei zählt die Kastanie in Europa seit jeher zu den populärsten Straßenbäumen. "Das ist auch historisch bedingt. Sie war schon der Lieblingsbaum von Ludwig dem XIV.", sagt Lohner. Ihr ursprünglicher Lebensraum war die Balkanhalbinsel, doch seit Hunderten Jahren wird sie fast überall in Europa angepflanzt.
Die einen schätzen sie als prächtigen Alleebaum, die anderen sehen vor allem den typischen Biergartenbaum, dessen dichte Krone gut vor Regen und Sonne schützt. Und nicht zuletzt dürfte es bei vielen auch die Erinnerung an die Kastanienmännchen der Kindheit sein, die Wehmut bei dem Gedanken auslöst, dass die Kastanie immer seltener wird.
"Geht man allerdings der Frage nach, wie häufig Kastanien im Vergleich zu anderen Baumarten überhaupt gepflanzt werden, so muss man feststellen, dass sie tatsächlich als Wald- und Straßenbäume eher eine untergeordnete Rolle spielen", sagt Steffen Heinzelmann vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
Im Wald kommt die Rosskastanie nur ganz vereinzelt vor. "Die Kastanie ist keine forstwirtschaftlich genutzte Art, sie ist ein klassischer Straßen- beziehungsweise Biergartenbaum", sagt Christian Hönig, Referent für Baumschutz beim BUND. Ihr langsames Aussterben sei gerade deshalb so bedauerlich, da es im Moment auch noch keine Alternative gebe. "Es wird bereits dazu geforscht, ob eventuell gegen das Bakterium resistente Kastanienarten nachgezüchtet werden können, aber im Moment gibt es da noch keinen Erfolg."
Als Straßenbaum nur noch Exot
Grundsätzlich entscheidet jedes Bundesland für sich, welche Straßenbaumarten gepflanzt werden. Dabei gibt es zwar regionale Unterschiede, aber beim genauen Blick in die Statistiken der Großstädte Berlin, Hamburg und München fällt auf, dass Linde, Ahorn und Eiche dominieren, während die Kastanie nur einen Anteil von drei bis sechs Prozent hat.
"Durch den Klimawandel werden sich in Zukunft nicht nur die Gattungen der Straßenbäume ändern, sondern sie werden auch immer wichtiger, denn sie kühlen die Straßen", sagt Herbert Lohner. "Außerdem ändern sich die klimatischen Bedingungen derart, dass zur Zeit bereits immer mehr Versuche unternommen werden, Bäume aus dem mediterranen Raum in Deutschland auszuprobieren."
Dabei sei vor allem auch der Faktor Stressresistenz von Bedeutung - neben Krankheiten leiden Bäume auch unter Hitze und Schadstoffemissionen. Könnte sich ein Baum seinen Standort selber aussuchen, würde er sicherlich lieber in einem Park Wurzeln schlagen als am Straßenrand.
Vanessa Assmann aus München formuliert daher die Ziele für die Zukunft so: gute Standortbedingungen, standortgerechte Arten und eine möglichst große Artenvielfalt. Die anfällige Rosskastanie könnte es dabei immer schwerer haben, sich zu behaupten.