Treibhausgase Forscher ermitteln Chinas Beitrag zur Klimaerwärmung

Fast ein Viertel des Treibhausgases CO2 stammt mittlerweile aus China - dennoch ist das Land derzeit nur für ein Zehntel der Erwärmung verantwortlich, sagt eine Studie. Sie liefert noch weitere Überraschungen.
Erzbergwerk in Qianan Jiujiang, China

Erzbergwerk in Qianan Jiujiang, China

Foto: DPA/ Greenpeace

Fast jeder fünfte derzeit lebende Mensch ist Chinese. Das bevölkerungsreichste Land der Erde erlebt einen immensen Aufschwung, es ist mittlerweile für nahezu ein Viertel des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich. Aber muss es deshalb auch die größte Last beim Klimaschutz tragen?

China bläst bereits doppelt so viel CO2 in die Luft wie die Nummer zwei der CO2-Rangliste, die USA - der Ausstoß pro Person freilich beträgt nur ein Drittel von dem der US-Amerikaner. CO2 gilt als Hauptantrieb der Klimaerwärmung.

Eine neue Studie aber zeigt, dass China gemessen an diesen Zahlen vergleichsweise wenig Verantwortung zukommt.

Was für eine Aufholjagd: Obwohl Chinas Aufschwung erst in den Neunzigerjahren Fahrt aufnahm, wird das riesige Land schon in wenigen Jahren insgesamt mehr CO2 ausgestoßen haben als die Europäische Union seit Beginn ihrer Industrialisierung im 18. Jahrhundert. Bereits jetzt liegt China in der Rangliste des historischen CO2-Ausstoßes durch Energieerzeugung nach den USA und Russland auf Platz drei.

Ein Zehntel Verantwortung

Wie groß also ist Chinas Verantwortung für den Klimawandel, welchen Beitrag muss es leisten zum Klimaschutz? Diese Fragen bestimmen wesentlich die Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen, wo sich jedes Land zu Zielen verpflichten soll, CO2-Emissionen einzudämmen.

Eine neue Studie liefert Auskunft: China trage derzeit zu etwa einem Zehntel zur globalen Erwärmung bei, berichten Forscher im Wissenschaftsmagazin "Nature"  - obwohl es fast ein Viertel der Emissionen erzeugt.

Hauptgrund für die Abweichung: Treibhausgase bleiben lange in der Luft, noch heute wirken also auch jene, die vor Jahrzehnten vor allem von westlichen Staaten in die Luft geblasen wurden.

Die Studie zeigt zudem, dass es bei Weitem nicht nur auf Treibhausgase ankommt, wenn es um Chinas Beitrag zum Klimawandel geht. Chinas immense Luftverschmutzung entscheidet wesentlich, wie stark China die Luft erwärmt: Abgase aus Kraftwerken, Fabriken und Autos enthalten nicht nur wärmendes Treibhausgas, sondern auch kühlende Schwefelgase.

Schleier um der Erde

Die sogenannten Aerosole legen sich als Schleier über die Erde, sie blockieren einen Teil der Sonnenstrahlung, sodass sich die Luft abkühlt. Der berüchtigte Smog in Chinas Metropolen mildert also die Erwärmung. Ein paradoxer Effekt scheint möglich: Umweltschutzmaßnahmen, um die Luft rein zu halten, könnten die Erwärmung ankurbeln.

Dass Aerosole die Klimaerwärmung bremsen, wissen Forscher lange: Ohne die Luftverschmutzung, so zeigen es Klimasimulationen, hätte sich die Luft weltweit schneller erwärmt.

Doch während Europa und die USA ihrer Industrie Schwefelfilter aufgesetzt und die Luftverschmutzung damit erheblich gemildert haben, ist China nun führend in Sachen künstlicher Klimakühlung: Das Land, berichtet das internationale Forscherteam in "Nature", habe mit einem Sechstel derzeit den größten Anteil am künstlichen Kühleffekt.

Wärmender Schmutz

Anderer Schmutz in der Luft gleiche den Effekt in China aber aus: Dunkle Rußpartikel aus Industrieschloten speichern Sonnenstrahlung, sie wärmen die Luft. In China hielten sich Wärme und Kühlung durch Luftverschmutzung die Waage, berichten die Wissenschaftler um Li Bengang von der Peking University in "Nature".

Sowohl Ruß als auch Schwefelverbindungen sind außerdem gesundheitsschädlich - mehr als eine Million Menschen dürften jedes Jahr in China sterben, weil sie zu viel der Substanzen eingeatmet haben, zeigen Berechnungen. Die chinesische Regierung hat mittlerweile angekündigt, die allgegenwärtige Luftverschmutzung verringern zu wollen.

Wie stark also China künftig zur Klimaerwärmung beitragen werde, hänge nicht nur von seinen CO2-Emissionen ab, resümieren die Forscher. Sowohl der Ausstoß von Ruß als auch von Schwefelpartikeln entscheide darüber wesentlich.

Frühe Sünden

Die größte Überraschung der Studie aber dürfte sein, dass Chinas Verantwortung für die Klimaerwärmung Jahrzehnte weiter zurückreicht als angenommen: Mit der Rodung seiner Vegetation für Landwirtschaft und Holzgewinnung habe das Land riesige CO2-Speicher entfernt - Pflanzen, die bekanntlich von CO2 leben. Treibhausgase, die also zuvor gebunden wurden, blieben fortan in der Luft.

Erst 1992 habe der künstliche Treibhauseffekt durch Abgase in China jenen durch Landnutzung übertroffen, schreiben die Forscher in "Nature". Riesige Programme zur Aufforstung hätten zuletzt aber dafür gesorgt, dass in China nun wieder mehr CO2-Speicher gepflanzt als gerodet würden.

Zusammengefasst: China bläst bereits doppelt so viel des klimawärmenden Treibhausgases CO2 in die Luft wie die Nummer zwei der CO2-Rangliste, die USA. Dennoch ist es derzeit nur für ein Zehntel der Klimaerwärmung verantwortlich, weil die Gase anderer Nationen in der Luft nachwirken. Chinas Verantwortung für die Klimaerwärmung reicht aber Jahrzehnte zurück: Mit der Rodung seiner Vegetation für Landwirtschaft und Holzgewinnung hat das Land frühzeitig riesige CO2-Speicher entfernt, wodurch sich wärmende Treibhausgase in der Luft anreicherten.

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