

Jahrhundertealte Eichen, mächtige Fichten, majestätische Eschen, Linden und Hainbuchen stehen im Bialowieza-Wald. Unter ihren Kronen wimmelt es von Leben - Zehntausende Arten von Käfern, Würmern, Schnecken und anderen wirbellosen Tieren, unzählige Pilze, Hunderte Vogelarten haben hier ebenso ihre Heimat wie Wisent, Wolf und Elch.
Stirbt einer der mächtigen alten Bäume, ist das keineswegs das Ende der Geschichte. Sein Holz bietet der Vielfalt von Pilzen und Insekten Nahrung. Vögel finden in Höhlen im verrottenden Holz geschützte Nistplätze und Nahrung. Der tote Baum lässt neues Leben sprießen.
Holz ist allerdings auch ein wertvoller Rohstoff.
Die polnische Regierung plant, in einigen Gebieten des Bialowieza Holz zu schlagen, Naturschützer protestieren. Der urtümliche Wald, der zum Teil in Polen, zum Teil in Weißrussland liegt, zählt zum Weltnaturerbe und genießt zudem als "Natura 2000"-Gebiet besonderen Schutz.
Sieben Umweltschutzorganisationen, darunter der WWF und Greenpeace, haben bei der EU-Kommission eine Beschwerde eingereicht, um das Holzfällen zu verhindern. Von EU-Seite aus heißt es, man arbeite mit den polnischen Behörden zusammen, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen in Einklang mit den "Natura 2000"-Richtlinien stehen. Das Ergebnis stehe jedoch noch nicht fest.
Die polnische Regierung argumentiert, dass ihre Vorgänger den Staat um viel Geld gebracht hätten, weil sie sich auf strikte Richtlinien hinsichtlich des Holzschlags eingelassen haben. Der polnische Umweltminister sagte gar, es sei ein Fehler gewesen, den Wald als Weltnaturerbe auszeichnen zu lassen, weil das internationale Aufsicht nach sich gezogen hätte.
Rund die Hälfte des Bialowieza gilt als weitgehend unberührt: Diese Gebiete wurden seit der Entstehung des Waldes vor rund 8000 bis 9000 Jahren kaum vom Menschen beeinflusst.
Auf der polnischen Seite stehen rund 35 Prozent des Waldes unter strengem Schutz. Diese Bereiche will die Regierung nicht angehen. Holz solle nur in den Gebieten gefällt werden, in denen dies auch in der Vergangenheit schon passiert sei. Die Umweltschützer argumentieren dagegen, die Pläne seien so weitgehend, dass sie schlussendlich auch die unberührten Teile des Waldes in Mitleidenschaft ziehen werden.
Geht es darum, den Borkenkäfer zu stoppen?
Das polnische Umweltministerium gibt an, das Fällen der Bäume sei ohnehin notwendig, um den Vormarsch des Buchdruckers, eines Borkenkäfers, zu stoppen. Seit 2013 hat das Insekt rund zehn Prozent der Fichten getötet, was drei Prozent der gesamten Baummenge entspricht.
Wissenschaftler halten dies jedoch für ein vorgeschobenes Argument, um wirtschaftliche Interessen zu kaschieren. Kürzlich sagte Jörg Müller, Forschungsleiter im Nationalpark Bayerischer Wald, im SPIEGEL, der Buchdrucker gehöre zum Naturwald. "In unserem Nationalpark haben wir gelernt, dass der Buchdrucker als Ingenieur des Zerfalls neue Lebensräume schafft." Es wäre Unsinn, die Bäume zu fällen.
Der Tod der Fichten schaffe Raum für neue Bäume, andere Arten, die besser an ein wärmeres, trockeneres Klima angepasst sind, sagen andere Forscher, die gegen die Pläne der Regierung protestieren. Zudem müsste man 80 Prozent der von Borkenkäfern befallenen Bäume fällen, um den Ausbruch einzudämmen, was logistisch unmöglich sei.
"Der Wald wurde über Jahrtausende von der Natur geformt", sagt etwa Rafal Kowalczyk von der polnischen Akademie der Wissenschaften. "Er ist einzigartig und sollte nicht in einen Nutzwald verwandelt werden. Dieses Überbleibsel alter Wälder mit seiner großen Artenvielfalt zeigt uns, wie Wälder vor Hunderten, sogar Tausenden Jahren aussahen."
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Wisent im Bialowieza-Wald im Osten Polens: Früher waren die großen Rinder in vielen europäischen Wäldern heimisch. Jetzt befindet sich ein Großteil der wildlebenden Wisente im Bialowieza. In Deutschland wurden vor wenigen Jahren einige Wisente ausgewildert.
Gefällte Bäume: Polens Regierung plant, in einigen weniger streng geschützten Gebieten des Waldes Bäume zu fällen. Naturschützer sind entsetzt.
Pilze auf einem Baumstamm: Der urtümliche Wald steht unter Schutz, er gehört zum Weltnaturerbe und zu den "EU Natura 2000"-Gebieten.
Auch Wölfe leben im Bialowieza. Nach Angaben der Unesco ist die Artenvielfalt des Waldes gigantisch. Unter anderem lebten hier 59 Säugetierarten, mehr als 250 Vogelspezies und mehr als 12.000 Arten wirbelloser Tiere.
Frischlinge auf Nahrungssuche: Die polnische Regierung gibt an, dass sie Bäume fällen wolle, um den Vormarsch des Borkenkäfers zu stoppen. Wissenschaftler widersprechen: Er gehöre zu einem natürlichen Wald.
"Das Verrotten von Bäumen ist ein wichtiger Schlüssel für die Artenvielfalt in Naturwäldern. Wer so eine einmalige Waldlandschaft dennoch zerstört, muss wirtschaftliche Interessen im Sinn haben", erklärte Jörg Müller, Forschungsleiter im Nationalpark Bayerischer Wald kürzlich im SPIEGEL.
Umweltschützer protestierten gegen die Pläne der Regierung. Sie verlangen einen umfassenderen Schutzstatus für den Wald. Hier sind Teilnehmer einer Demo in Warschau zu sehen (Aufnahme vom 17. Januar).
Eingang in den Nationalpark: Rund die Hälfte des Bialowieza gilt als weitgehend unberührt. Diese Gebiete wurden seit der Entstehung des Waldes vor rund 8000 bis 9000 Jahren kaum vom Menschen beeinflusst