Fotostrecke

Gemeinsam stark: Nur Bio-Gentechnik ernährt die Welt

Foto: Universität Freiburg/ picture-alliance/ dpa/dpaweb

Gentechnik ganz ökologisch Letzte Rettung für den Goldenen Reis

Die Gentechnik-Debatte wird nur noch hochemotional geführt, der Graben zwischen Befürwortern und Gegnern scheint unüberwindbar. Ein Forscherehepaar sieht einen Ausweg: ausgerechnet in der Verbindung von Gentechnik und ökologischer Landwirtschaft.
Von Jean-Paul Bertemes

In Regionen, in denen Reis Grundnahrungsmittel ist, leiden vor allem Kinder an Vitamin A-Mangel: 250 Millionen Kinder im Vorschulalter sind betroffen. Bis zu 500.000 Kinder erblinden jährlich, etwa die Hälfte von ihnen stirbt daraufhin innerhalb eines Jahres. Man spricht vom "versteckten Hunger": genug Kalorien, aber zu wenig Nährstoffe.

"Das müsste alles nicht sein", meint Peter Beyer, Biologie-Professor an der Universität Freiburg, "hätten sie endlich den Goldenen Reis."

Goldener Reis ist gelber Reis, im Gegensatz zu anderen Sorten enthält er gelbes Beta-Carotin, also Provitamin A. Beyer hat ihn mit seinem Kollegen Ingo Potrykus entwickelt. Der Plan: den Goldenen Reis in lokale Sorten einkreuzen und kostenlos an arme Bauern verteilen. Doch seit Jahren warten die Forscher vergeblich darauf, dass ihr Reis endlich auf den Markt kommt. Die Gegenwehr der Kritiker sei zu groß, sagt der Wissenschaftler.

Artfremder Mais wird abgelehnt

Weil Beyers Reis gentechnisch verändert ist, ist für Kritiker eine natürliche Grenze überschritten. "Den Transfer artfremder Gene lehnen wir grundsätzlich ab", sagt Jan Plagge, Präsident von Bioland. Gleichzeitig hinterfragt er, ob wir Gentechnik überhaupt brauchen.

Die auf dem Markt befindlichen gentechnisch veränderten Pflanzen (GV-Pflanzen) sind auf große Märkte ausgelegt. Ob somit tatsächlich denen geholfen wird, die am meisten hungern, ist fraglich. Auch das Versprechen der Konzerne, durch die GV-Pflanzen den Herbizid- und Insektizideinsatz zu verringern, ist umstritten. Einige Studien sprechen dafür, andere dagegen.

Die Gentechnik-Debatte ist festgefahren und wird nur noch hochemotional geführt, Der Graben zwischen Befürwortern und Gegnern scheint unüberwindbar.

Oder vielleicht doch nicht?

Raoul Adamchak lehrt an der University of California in den USA. Für ihn ist Nachhaltigkeit oberstes Gebot und daher klar: Bio muss die Welt ernähren. Keine besondere Aussage für einen Ökolandwirt. Erstaunlicher ist vielmehr, dass er Pamela Ronald geheiratet hat - eine Gentechnikerin.

Und noch erstaunlicher: Auch für seine Frau, Professorin für Pflanzenpathologie an derselben Universität, ist klar: Nur Bio kann die Welt ernähren. Das Ehepaar umschreibt in seinem Buch "Tomorrow's Table" ökologische Landwirtschaft als "bessere Landwirtschaft durch Biologie". Und das schließt die Gentechnik nicht aus.

Ökologische Anbaumethoden wichtiger als die Züchtungsmethode

In zahlreichen Beispielen zeigen sie, dass einige gentechnische Lösungsansätze nützlich werden könnten, würde man sie mit Bio-Methoden anwenden. So beschreibt Adamchak etwa wie man beim Anbau von Reis auf den Einsatz von Herbiziden verzichten kann, indem man ein Feld flutet. Das Problem: Flutet man zu wenig, überlebt das Unkraut. Flutet man zu lange, stirbt auch der Reis.

Eine Lösung hierfür bietet seine Frau: Ronald hat einen gentechnisch veränderten Reis entwickelt, der längere Überflutungen überlebt. Er könnte nicht nur in Überflutungsgebieten Hungersnöte verhindern. Ökolandwirte könnten damit auch die Überflutungsmethode zur Vermeidung von Unkräutern einsetzen - und so auf Herbizide verzichten.

Bisher sind die auf dem Markt befindlichen GV-Pflanzen allerdings in den Händen von Multikonzernen, die wegen ihrer Geschäftsmodelle mit Lizenzgebühren kritisiert werden. Paradoxerweise spielen die Gentechnik-Kritiker den Multikonzernen sogar in die Karten: Je strenger und kostenaufwendiger die Regularien, desto eher können sich nur Großunternehmen die Entwicklung leisten.

Beyers Goldener Reis hingegen wurde durch öffentliche Gelder finanziert. Adamchak und Ronald erwähnen ihn auch in ihrem Buch als eine lokal angepasste Lösung für ein Problem der Armen. Kompatibel mit ihren Bio-Prinzipien.

Doch irgendwie bleibt die Angst

Dass in der Gentechnik-Debatte immer wieder Angst geschürt wird, ärgert Peter Beyer: "Die Sicherheitsauflagen sind so hoch wie bei sonst keinem Verfahren. Außerdem gibt es bei keinem Lebensmittel Sicherheitsgarantien. Wenn das Kind erblindet oder im Sterben liegt, wollen die Eltern helfen. Was kümmern sie dann europäische Spekulationen über fiktive Risiken, für die es keine Beweise gibt, angesichts der tatsächlichen Risiken vor Ort."

Bei der Gesundheit hört schließlich alles auf. Auch die Europäer haben keine Bedenken, Medikamente durch gentechnisch veränderte Lebewesen herstellen zu lassen.

Beyer ärgert außerdem die Schwarzweißmalerei: "Auch moderne Züchtungsverfahren finden zu einem großen Teil im Labor statt. Bei manchen werden Pflanzen gar mit radioaktiver Strahlung oder mit hochaggressiven erbgutverändernden Chemikalien behandelt - und wir nennen das natürlich? Auch solche Pflanzen wurden genetisch verändert, sind auf dem Markt und werden tagtäglich gegessen."

Auch Bioland-Präsident Jan Plagge gibt zu: "Eine saubere Abgrenzung von Agro-Gentechnik und herkömmlicher Pflanzenzucht ist eine Herausforderung für uns."

Die Realität ist also nicht schwarzweiß, sondern grau. Wird die Debatte es auch jemals sein?

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten