Tödlicher Müll Warum Seevögel Plastik essen

Ein toter Schwarzfußalbatros.
Foto: AP/ Dan Clark/ USFWSDer tote, schon halb verweste Albatros liegt auf einem steinigen Grund. Federn, Fleisch und Knochen sind schon abgelöst, sodass die bunten Plastikstücke im Magen des Seevogels sofort ins Auge springen. Der Plastikmüll hat den Vogel entweder vergiftet oder seine Verdauung so verstopft, dass er verhungerte - oder beides parallel. Das Foto aus dem November 2014 zeigt einmal mehr die tödlichen Folgen der zunehmenden Verschmutzung der Weltmeere.
Warum aber verwechseln die Vögel Plastik mit Futter? Forscher um den Ökologen Matthew Savoca von der University of California haben sich genau dieser Frage gewidmet und kommen zu einem überraschenden Ergebnis: Es ist der Geruch des treibenden Mülls.
Röhrennasen-Vögel verlassen sich auf Geruchssinn
Albatrosse gehören genauso wie Sturmvögel und Sturmtaucher zur Ordnung der Röhrennasen-Vögel und die verlassen sich bei Nahrungssuche hauptsächlich auf ihren Geruchssinn. Sie jagen vor allem Krebstiere, Fische und Tintenfische auf offener See.
Und diese Beutetiere wiederum jagen vor allem Plankton, das sind kleine Lebewesen, die im Wasser umhertreiben. Und manche pflanzliche Planktonarten verströmen den Geruch von Dimethylsulfid, wenn sie von anderen Tieren "abgegrast" werden.

Plastik im Bauch: Der Tod ist bunt
Dimethylsulfid ist eine schwefelhaltige Verbindung, die sonst unter anderem für den menschlichen Mundgeruch verantwortlich ist und im Vaginalsekret von Goldhamsterweibchen vorkommt, um Männchen anzulocken. Und eben im Meer.
Die Röhrennasen können mit ihrem feinen Geruchssinn orten, wo Dimethylsulfid entsteht. Der Geruch zieht sie an, denn sie verbinden ihn mit reichen Jagdgründen - wo viel Plankton unterwegs ist, gibt es meistens auch viel Nahrung für die Vögel.
"Geruchsfalle" Plastik
Und genau dieser Umstand ist das Problem der Vögel. Wenn Plastik lange im Wasser liegt, bilden sich auf der Oberfläche vor sich hin faulende Algen, die ebenfalls Dimethylsulfid absondern. Die Röhrennasen fliegen herbei und jagen dann das Plastik - die Wissenschaftler sprechen in ihrem Aufsatz im Fachblatt "Science Advances" von einer "Geruchsfalle".
Um die nachzuweisen, setzten die Forscher Plastikmüll mit Bojen in offener See aus. Anfangs fanden sich noch keine Dimethylsulfid-Spuren daran. Nach rund vier Wochen im Wasser aber sonderten die Plastikteile so viel Dimethylsulfid ab, dass die Vögel sie auch aus größeren Distanzen erriechen konnten.
Selbst für Wale tödlich
Zur Gegenprobe werteten die Forscher die Daten von mehr als 13.000 Seevögeln aus 25 Arten aus. So konnten Savoca und sein Team nachweisen, dass Vogelarten besonders oft Plastik im Magen haben, die auf Dimethylsulfid reagieren. Damit stellten die Wissenschaftler die These in Frage, wonach Vögel vor allem Plastik fressen, weil es im Wasser aussieht wie Beute.
Die Wissenschaftler wollen nun auch andere Tierarten wie Schildkröten, Fische oder auch Meeressäuger untersuchen, ob sie auf Dimethylsulfid ansprechen. Denn selbst für Wale ist das Plastik im Magen mitunter tödlich.