Künstliches Blut Forscher züchten erstmals menschliche Blutstammzellen

Aus induzierten pluripotenten Stammzellen hergestellte menschliche Blutstammzelle
Foto: Rio SugimuraForscher haben erstmals menschliche Blutstammzellen im Labor gezüchtet. Das Team um George Daley vom Children's Hospital in Boston im US-Staat Massachusetts wandelten sogenannte pluripotente Stammzellen zu Blutstammzellen um. Ins Knochenmark von Mäusen eingepflanzt, gingen aus diesen Stammzellen dann unterschiedliche Blutzellen hervor.
Ein Experte wertet die Arbeit als Durchbruch in der Stammzellforschung. Die neuen Erkenntnisse förderten die Erforschung von Arzneien, sagt Frank Edenhofer von der Universität Innsbruck, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Und sie könnten zu Therapien gegen Störungen des blutbildenden Systems wie etwa Leukämie führen. Noch ist aber nicht klar, ob sich die Methode für Therapien beim Menschen nutzen lässt.
In zwei Schritten zur Blutstammzelle
Das besondere an pluripotenten Stammzellen ist, dass aus ihnen im Körper praktisch alle Arten von Zellen entstehen können. Blutstammzellen entstehen im Knochenmark und können sich zu sämtlichen Blutzellen wie etwa weißen und roten Blutkörperchen entwickeln. Weil die Lebensdauer dieser Zellen begrenzt ist, muss der Körper sie ständig erneuern.
Um pluripotenten Stammzellen in Blutstammzellen zu verwandeln, brauchten die Forscher zwei Schritte:
- Sie wandelten zunächst menschliche pluripotente Stammzellen mit chemischen Signalen in spezielle embryonale Endothelzellen um. Sie gelten als Vorläufer von Blutstammzellen.
- Diese hämogenen Endothelzellen reprogrammierte das Team dann mit Hilfe von sieben Transkriptionsfaktoren, die mit Viren eingebracht wurden, zu Blutstammzellen (HSC).
Zwar waren hergestellten Zellen molekular nicht identisch mit natürlichen Blutstammzellen, räumen die Autoren im Fachmagazin "Nature" ein . Dass die Zellen funktionstüchtig sind, zeigten die Wissenschaftler aber, indem sie die Blutstammzellen ausgewachsenen Mäusen ins Knochenmark einpflanzten. Bei den Empfängern entstanden alle wichtigen Typen von Blutzellen.
Blutstammzellen dieser ersten Empfänger ließen sich dann sogar auf weitere Tiere transplantieren, in denen daraus wiederum alle wichtigen Blutzelltypen entstanden.
Der Erfolg dieser Sekundärtransplantation verdeutliche die Qualität der Studie, betont der Innsbrucker Stammzellforscher Edenhofer. Es zeige, dass die Stammzellen bei den ersten und die daraus abgeleiteten dann auch bei den zweiten Empfängern eingewachsen und funktionsfähig seien.
Wichtiger Meilenstein für die Forschung
In einer weiteren, ebenfalls in "Nature" veröffentlichten Studie schuf ein zweites Forscherteam um Shahin Rafii vom Weill Cornell Medical College in New York ebenfalls Blutstammzellen aus embryonalen Endothelzellen. Direkt für eine Therapie beim Menschen anwenden lassen sich die Ergebnisse aber nicht.
"Trotz der Aufregung, die diese beiden Arbeiten auslösen werden, gibt es einige Limitationen", schreiben Carolina Guibentif und Berthold Göttgens von der britischen Universität Cambridge in einem "Nature"-Kommentar. So müsse man prüfen, ob von den Blutstammzellen ein erhöhtes Krebsrisiko ausgehe. Dennoch seien die Arbeiten ein Meilenstein.
"Auch wenn weitere Studien benötigt werden, ist die lange Reise zur Umsetzung des Versprechens, die Stammzellforschung zum direkten Vorteil von Patienten zu nutzen, damit vielleicht etwas kürzer geworden", schreiben Guibentif und Göttgens.
Der Innsbrucker Experte Edenhofer betont den Wert der Studien für die Forschung. Bislang sei der Zugang zu patienteneigenen Blutstammzellen schwierig gewesen. Nun könne man Krankheiten wie Leukämien in der Petrischale nachstellen und systematisch analysieren. "Diese Arbeit eröffnet viele neue Möglichkeiten, die bisher verschlossen waren."