

Das Wal-Rätsel ist mit hoher Wahrscheinlichkeit gelöst: Eine Buckelwal-Mutter mit einem Kalb ist in der Ostsee unterwegs. Das fanden dänische und deutsche Wissenschaftler bei der Auswertung von Bildern heraus, die Wassersportler in den vergangenen Tagen gemacht hatten. "Das ist eine Buckelwal-Sensation hoch zwei", sagte der dänische Walforscher Carl Kinze am Freitag.
Sein Kollege Harald Benke, Direktor des Deutschen Meeresmuseums, ergänzte, die Bilder zeigten klar zwei Tiere, von denen eines deutlich kleiner sei. "Dass sich eine Mutter mit einem Kalb in die Ostsee verirrt, ist erstaunlich."
Die Tiere waren am Donnerstag gemeinsam im dänischen Aarösund im Kleinen Belt gesichtet worden. Auch am Mittwoch hatten Kajakfahrer vor der dänischen Küste berichtet, dass sie zwei Tiere gesehen hätten. Die Forscher haben zudem noch ältere, bislang unbeachtete Aufnahmen vom 7. Juli ausgewertet, auf denen zwei Rückenflossen zu sehen sind. Die vordere Flosse sei der Mutter zuzuordnen, die hintere dem Kalb.
Kalb in der Karibik geboren
Was macht die Forscher so sicher, dass es sich um Mutter eine mit Kalb handelt? Die Haut des einen Wals mache einen "neuen" Eindruck - wie bei einem Kalb, sagte Kinze. Zudem sei das eine Tier deutlich kleiner. Der kleinere Wal wird auf eine Länge von acht Metern geschätzt. Das größere Tier, das eine charakteristisch gefleckte Haut habe, ist den Forschern zufolge rund zwölf Meter lang. Das Kalb sei offenbar seiner Mutter sehr dicht gefolgt und bei anderen Beobachtungen gerade unter die Wasseroberfläche getaucht.
Nach Angaben von Benke ist das Kalb im Winter vermutlich in der Karibik, dem natürlichen Geburtsplatz der Buckelwale, zur Welt gekommen. Im Sommer ziehen die Wale zum Jagen nach Norden. Die Meeressäuger seien vermutlich Fischschwärmen in die Ostsee gefolgt.
Die Mutter macht nach Angaben der Forscher einen wohlgenährten Eindruck, beim Kalb hingegen wirke der Rücken etwas eingefallen. Aus dem Säuglingsalter sei das Kalb heraus. Es müsse in diesem Alter unter Anleitung der Mutter selbst jagen. Langfristig bräuchten die Buckelwale aber die arktischen Gewässer, um sich satt zu fressen und ihrem normalen Sozialverhalten nachgehen zu können.
Bislang sind nur vier Buckelwal-Sichtungen in der deutschen Ostsee dokumentiert: 1766, 1878, 2003 und 2008. In allen Fällen handelte es sich um Einzeltiere. Schon die Sichtung von zwei Tieren Anfang Juli in der Flensburger Förde hatten die Forscher als Sensation gewertet. Laut Benke ist anzunehmen, dass es sich dabei um die Walmutter und ihr Kalb handelte. "Die Walkuh konnten wir aufgrund der gesprenkelten Haut eindeutig identifizieren", sagte Benke zu SPIEGEL ONLINE. Allerdings könne man nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob es sich bei dem zweiten Wal in der Flensburger Förde um ihr Kalb gehandelt habe.
"Buckelwale gehören zu den Bartenwalen, die gut mit den komplizierten und seichten Ostseegewässern zurechtkommen", sagte Kinze. Nach Auffassung der Forscher gibt es genügend Nahrung in der Ostsee. Die Buckelwale gelten laut Benke als "Abenteurer unter den Walen", weil sie sehr neugierig seien. Dies wurde ihnen in der Vergangenheit oft zum Verhängnis. Weil sie nahe an Schiffe heranschwimmen, wurden sie besonders oft gejagt.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Wal-Sensation in der Ostsee: Das Buckelwal-Kalb taucht hinter dem Muttertier. Diese Aufnahme entstand am 24. Juli 2014 bei Aarøsund.
Kinderstube Ostsee: Das Bild zeigt die Buckelwalmutter (vorn) und das Kalb (hinten) vor dem deutschen Falshöft.
Buckelwal: Am 14. Juli wurde dieses schätzungsweise acht bis zehn Meter große Jungtier im Bereich der Sonderburger Bucht in der Flensburger Außenförde beim Springen beobachtet. Das Foto gelang den Seglern Anegrethe und Søren Bomholt.
Schwimmen in Küstennähe (Archivbild): Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Buckelwale in küstennahen Gewässern aufhalten und in Buchten und Flussmündungen auftauchen. Tiefe Meeresgebiete durchqueren sie in der Regel nur auf ihren Wanderungen.
Buckelwale vor Alaska (Archivbild): Buckelwale kommen grundsätzlich in allen Ozeanen vor. Im Sommer halten sie sich vor allem in den Polarmeeren auf, im Winter wandern sie in tropische und subtropische Gewässer.
Rückenplatscher vor Südafrika (Archivbild): Man geht davon aus, dass es eine nördliche und eine südliche Buckelwal-Population gibt, die jeweils den Äquator nicht überquert und den Sommer entweder im Nord- oder Südpolarmeer verbringt. Auf ihren Wanderungen legen die Tiere mitunter Tausende Kilometer zurück.
Schweinswal vor Sylt (im Juni 2003): Baulärm kann für die empfindlichen Meeressäuger eine starke Beeinträchtigung darstellen. Nach den Untersuchungen des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) haben die Bauarbeiten an den Offshore-Windparks die in der Nordsee lebenden Wale aus dem Gebiet vertrieben. Ob und wann die Tiere nach der Beendigung der Arbeiten in das Gebiet zurückkehren, sei noch unklar.
Plattform "BorWin1" vor Borkum (im November 2009): Die gelbe Trafostation beinhaltet die weltweit längste Netzanbindung eines Offshore-Windparks in Gleichstromtechnik. Damit ist "BorWin1" das erste aufgestellte Bauwerk zum kommerziellen Windpark "Bard Offshore 1" in der Deutschen Bucht.
Errichterschiff am Offshore-Windpark "Bard 1": Die "Windlift 1" setzt unter anderem Stützkreuze als Fundament für die Turbinen.
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie: Während der Bauarbeiten wurden Lärmwerte von 178 Dezibel gemessen. Der Grenzwert liegt bei 160 Dezibel.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden