Bundesweites Megaprojekt Die Vermessung des Waldes

Förster in Garmisch-Partenkirchen
Foto: Angelika Warmuth / dpaUm Deutschlands Wald ist es schlecht bestellt, das wissen Experten schon länger. Die Bäume schwinden immer schneller, Trockenheit und Borkenkäfer machen den Grünflächen zu schaffen. Zuletzt stieg die Menge an Schadholz drastisch. Manche Daten über den Gesamtzustand des Waldes sind allerdings schon alt, deshalb läuft in Deutschland derzeit ein aufwendiges Projekt – die Bundeswaldinventur .
Sie findet zum vierten Mal statt, zuletzt 2012. Rund hundert Vermessungsteams sind überall im Land unterwegs und erheben systematisch den Zustand von Deutschlands Wäldern. Damit schaffen sie einen gigantischen Datenschatz, der für Wissenschaft, Politik und Wirtschaft gleichermaßen interessant ist.
»Es geht darum, wie der Zustand unseres Waldes heute ist und wie er sich in den letzten Jahren verändert hat. Und das einheitlich über die ganze Bundesrepublik, unabhängig von Eigentumsarten oder unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen«, sagt Förster Thomas Riedel vom federführenden Thünen-Institut für Waldökosysteme im brandenburgischen Eberswalde.
Für die Inventur analysieren Fachleute rund 80.000 Punkte in ganz Deutschland, in deren unmittelbarem Umfeld etwa die genaue Anzahl der Bäume – deren Art, Umfang, Höhe, Alter – und die Menge Totholz aufgenommen werden.
Koordinaten streng geheim
»Vor Ort ist ein Eisen eingegraben, der Punkt ist mit Satellitentechnik eingemessen«, erklärt Wolfgang Stöger, zuständig für die Waldinventur in Bayern. Auf diese Weise finden die Trupps per Metallsuchgerät exakt jene Punkte wieder, an denen schon vor Jahrzehnten ihre Vorgänger standen. »Die Koordinaten sind streng geheim. Jeder Punkt repräsentiert 400 Hektar Wald. Wenn ein Waldbesitzer das hier besonders schön machen würde, wäre es nicht mehr repräsentativ.«
Jeder Baum kann mit den Werten von früher verglichen werden – die ältesten Vergleichsdaten stammen aus dem Jahr 1986. Die Erkenntnisse aus den Inventurpunkten werden auf ganz Deutschland hochgerechnet. Damit keine Fehler entstehen, die sich bei der Hochrechnung drastisch auswirken, müssen die Teams exakt arbeiten. In der Praxis heißt das etwa, dass das Maßband beim Messen des Umfangs der Bäume immer auf der gleichen Höhe um den Stamm laufen muss. Gemessen wird auf 1,30 Meter.

Vermessung eines Totholzstammes in Garmisch-Partenkirchen durch Förster Christoph Riedel
Foto: Angelika Warmuth / dpaWegen des immensen Aufwands ist die Bundeswaldinventur auf zwei Jahre angelegt, bei Kosten von rund 25 Millionen Euro. Die Auswertung der Ergebnisse wird bis Mitte 2024 dauern. Sie werden allgemein zugänglich veröffentlicht. Somit können etwa Unternehmer abschätzen, wie sich der Holzmarkt entwickelt oder ob in einer bestimmten Region der Bau eines Sägewerkes lohnt.
Wissenschaftler weltweit arbeiten mit den Daten. »Wichtig sind auch die ganzen internationalen Berichtspflichten, die wir als Bundesrepublik haben, etwa im Rahmen der EU-Berichte, des Kyotoprotokolls oder der Klimarahmenkonvention«, sagt Riedel.
DNA-Proben im Kampf gegen den Klimawandel
Weil seit der letzten Inventur vor rund zehn Jahren große Stürme mit nachfolgenden Käferschäden auftraten, erwarten die Fachleute regional teils gewaltige Veränderungen. »Vor allem in den Bundesländern, in denen viel Fichte und Kiefer abgestorben ist«, betont Riedel. »Sachsen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, da sieht es sehr dramatisch aus.«
Vielleicht wird diesen Regionen in ein paar Jahren ein weiterer Erkenntnisgewinn aus der Bundeswaldinventur zugutekommen. Die Trupps nehmen nämlich auch DNA-Proben der Bäume. Die genetischen Informationen sollen helfen, künftig vor allem jene Bestände anzupflanzen, die mit dem Klimawandel am besten klarkommen.