Burma Wie "Nargis" ein schutzloses Land verwüsten konnte
In Bangladesch weiß man nur zu genau, was die Menschen im Nachbarland Burma derzeit durchmachen. Erst im vergangenen November hat der Zyklon "Sidr" dort 3000 bis 10.000 Tote gefordert - und das war noch wenig im Vergleich zu der Katastrophe von 1991, als ein Tropensturm rund 140.000 Menschen in den Tod riss.
Doch während sich in Bangladesch die Lage bessert - die Regierung investiert in Schutzräume und Deiche, die zum Teil von niederländischen Spezialunternehmen gebaut werden - kann in Burma von einem effektiven Katastrophenschutz keine Rede sein. Stattdessen scheinen sich in dem bitterarmen Land die finstersten Prophezeiungen von apokalyptischen Folgen des Klimawandels zu bewahrheiten: Steigende Meeresspiegel verursachen stärkere Überflutungen, Wirbelstürme gewinnen dank wärmeren Oberflächenwassers und mehr Wasserdampf in der Luft an Zerstörungskraft, und am Ende destabilisieren Flüchtlingsströme ganze Regionen.
Ganz so einfach ist es freilich nicht, wie Hans von Storch vom GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht betont. "Burma liegt in einem traditionellen Tropensturm-Gebiet", sagt der Küstenschutz-Experte. "Starke Überschwemmungen sind typisch für die Region." Der Zyklon "Nargis" habe vor allem deshalb so verheerende Wirkung gehabt, weil er an der gesamten Küste Burmas entlang geschrammt sei.
"Da ist nichts, was die Küsten schützt"
Der Hauptgrund für die enormen Opferzahlen - die Regierung Burmas spricht derzeit von 22.000 Toten und 41.000 Vermissten - sei aber die Verletzlichkeit der Bevölkerung. "Da ist nichts, was die Küsten schützt", sagt von Storch im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Wie es besser gehen könnte, sei derzeit in Bangladesch zu besichtigen. Dort seien bereits zahlreiche Schutzräume an den Küsten eingerichtet worden, in denen die Menschen vor schweren Stürmen Zuflucht suchen können.
Das niederländische Beratungsunternehmen Royal Haskoning etwa begleitet in Bangladesch den Bau von Deichen und Anlagen zur Landgewinnung. Die Hoffnung der Wasserbau-Ingenieure ist, durch geschickte Bebauung der Küsten sogar massiv Land zu gewinnen, statt welches zu verlieren - auch wenn die landwirtschaftliche Fläche des Landes derzeit noch um etwa ein Prozent pro Jahr schrumpft, wie der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.
Zudem ist in Bangladesch wie auch in Burma längst nicht nur der Klimawandel und der mit ihm einhergehende Anstieg der Meeresspiegel für die verheerende Wirkung von Wirbelstürmen verantwortlich. Während in Bangladesch nicht zuletzt die Wasserwirtschaft Indiens starken Einfluss auf Überflutungen hat, gilt in Burma die Zerstörung von Mangrovenwäldern als mitverantwortlich für die Misere.
"Die Mangrovenwälder, die als Puffer zwischen Wellen und Stürmen und bewohnten Gebieten gedient haben, wurden allesamt vernichtet", sagte Surin Pitsuwan, Generalsekretär des Verbandes südostasiatischer Nationen (Asean), bei einem Treffen der Organisation in Singapur. Nicht zuletzt deshalb habe "Nargis" so extreme Folgen gehabt.
Tatsächlich hatte eine im Dezember 2005 veröffentlichte Studie über die asiatische Tsunami-Katastrophe ergeben, dass Mangrovenwälder vor Flutwellen schützen können. Forscher der internationalen Artenschutz-Organisation IUCN hatten die Opferzahlen von Dörfern in Sri Lanka verglichen. Demnach sind in einer Siedlung, die von Mangrovenwälder und Gestrüpp geschützt war, nur zwei Menschen gestorben - während in einem nahe gelegenen Dorf ohne vergleichbare Vegetation bis zu 6000 Menschen umkamen.
Riesige Mangroven-Flächen zerstört
Mangroven wachsen in Gebieten nahe der Küste, wo sich Salz- und Süßwasser vermischen, und reichen mitunter kilometerweit ins Land hinein. "Mangroven sind eine sehr dichte Art der Vegetation", sagte IUCN-Chefwissenschaftler Jeffrey McNeely der britischen BBC. "Insbesondere in Flussdeltas verhindern sie, dass Wellen das fruchtbare Land beschädigen."
Doch um die Mangrovenwälder steht es insbesondere in Asien nicht gut. Vor kurzem ergab eine Untersuchung der Welternährungsorganisation FAO, dass seit 1980 weltweit rund 36.000 Quadratkilometer an Mangrovenwäldern verschwunden sind - was in etwa der Fläche Nordrhein-Westfalens entspricht. In Asien war der Verlust mit 19.000 Quadratkilometern am größten. Meist mussten die Wälder demnach Shrimp- und Fischfarmen oder aber Hotels Platz machen.
Einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und häufiger vorkommenden Sturmkatastrophen in Asien sieht Klimaforscher von Storch allerdings nicht. "Ob und, falls ja, wie die Erwärmung die tropischen Wirbelstürme beeinflusst, ist derzeit noch offen", so der Wissenschaftler. "Allerdings wurde zu diesem Thema auch noch nicht sehr intensiv geforscht." Auch wie stark der Meeresspiegel steigen wird, ist unter Klimaforschern noch umstritten.
Flucht als letzte Chance
Man dürfe sich die Küsten in Burma oder Bangladesch auch nicht so vorstellen wie die europäischen, betont von Storch. "Diese Schwemmländer besitzen keine fest definierte Küste. Da ist immer alles in Bewegung." Dennoch seien Deiche und Schutzräume, wie es sie in Bangladesch bereits gebe, auch in Burma sinnvoll. "Natürlich müssen dazu die Bedingungen gegeben sein", meint von Storch. Doch genau das ist unter der burmesischen Militärjunta nicht der Fall, wie die teils dramatischen Erfahrungen der internationalen Hilfsorganisationen derzeit beweisen.
Die Menschen könnten so langfristig nur noch in weniger gefährdete Gebiete ausweichen. "Wenn schützende Bauten fehlen, bleibt gar nichts anderes übrig", sagt von Storch. Allerdings bezweifelt er, dass es dadurch zu gewaltigen Flüchtlingswellen in Nachbarstaaten oder gar in andere Kontinente kommen wird. "Meist wandern die Menschen nur von Insel zu Insel oder bauen ihre Dörfer nach einer Katastrophe wieder auf."
Andere Experten sind weniger optimistisch. So hat etwa die Londoner Forschergruppe International Alert im vergangenen November ihren Report "A Climate of Conflict" vorgestellt. In 46 Staaten mit insgesamt 2,7 Milliarden Einwohnern "werden die Folgen des Klimawandels im Zusammenspiel mit wirtschaftlichen, sozialen und politischen Problemen zu einem hohen Risiko bewaffneter Konflikte führen", heißt es darin.
In weiteren 56 Staaten mit 1,2 Milliarden Einwohnern würden die Effekte der globalen Erwärmung voraussichtlich politische Instabilitäten auslösen, die langfristig auch dort zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen könnten. Für Südostasien warnten die Forscher vor einer klimabedingten Zunahme von Sturm- und Flutkatastrophen sowie größeren Wanderungsbewegungen.