
Höhlenerkundung in Südfrankreich Der Fluss, der unter der Erde verschwindet



Kilometerweit fließt der kleine Fluss Ouysse in südwestlicher Richtung durch Frankreich. Etwa 200 Kilometer östlich von Bordeaux verschwindet er für circa 25 Kilometer unter der Erde. Eine Gruppe Höhlentaucher hat sich auf die Suche gemacht nach dem versteckten Fluss.
Gemeinsam mit Freunden erkundet Stephan Schlumbohm seit 2009 die Höhle Cabouy, durch die der Strom fließt. Die Ergebnisse des privaten Forschungsprojekts wollen sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Auch den Staat könnten sie interessieren, denn das Wasser in der Höhle dient als Trinkwasser-Reservoir.
Stephan Schlumbohm hat Informatik-Ingenieurwesen studiert und taucht seit elf Jahren in Höhlen. Seit 2009 erkundet er mit seinen Freunden Maren Isigkeit und Torsten Schnitter die Höhle Cabouy in Südfrankreich. Dazu gründeten die Taucher aus Deutschland das private Forschungsprojekt "The Hidden River Project".
SPIEGEL ONLINE: Herr Schlumbohm, Sie haben sich auf die Suche nach dem verstecken Fluss gemacht. Wie haben sie ihn gefunden?
Stephan Schlumbohm: Wir wussten, dass der Fluss Ouysse aus dem Höhlensystem Cabouy auftaucht. 2009 haben wir aus Neugier angefangen, die Höhle zu vermessen, Höhe, Breite und Wasserstände zu dokumentieren. Dabei sind wir das erste Mal durch den unterirdischen Teil des Flusses getaucht. Der Wasserlauf war schnell gefunden, seinen weiteren Verlauf zu erkunden, aber gar nicht so einfach. Um in die Cabouy hinein zu kommen, steigt man mitten im Wald in einen Tümpel und taucht von dort in maximal 30 Meter Tiefe 1,8 Kilometer durch eine große, langgezogene Unterwasserhöhle. Als wir das erste Mal dort waren, waren die Leinen, die sicherstellen, dass man wieder herausfindet, abgetrennt. Wir mussten sie neu legen, um sicher tauchen zu können.
SPIEGEL ONLINE: Sie paddeln fast zwei Kilometer gegen die Strömung. Wie schaffen Sie das?
Schlumbohm: Wir lassen uns von einem elektrisch angetriebenen Unterwasserscooter ziehen. Mit ihm braucht man ungefähr eine Stunde durch die Unterwasserhöhle. Würde man schwimmen, wäre man für die Strecke locker drei- bis viermal so lange unterwegs und bräuchte viel zu viel Atemgas. Wir müssen nicht nur uns selbst in die Höhle bringen, sondern auch einiges an Ausrüstung - Messgeräte, zusätzliche Atemgasflaschen, Isomatten und Lebensmittel. Wir wollen die Höhle bis in den kleinsten Winkel vermessen und die Daten für jeden zugänglich machen.
SPIEGEL ONLINE: Wie lange bleiben Sie in der Höhle?
Schlumbohm: Meist sind es zwei bis drei Übernachtungen. Unser Lager schlagen wir am Ende der langen Unterwasserhöhle auf. Dort gibt es eine Trockenstelle in einer eindrucksvollen Halle. Die Decken sind hier ungefähr 30 Meter hoch und der Hauptgang der Höhle ist dort in etwa so groß wie ein doppelgleisiger U-Bahn-Schacht. Hier haben wir dann etwa 100 Meter Fels über uns.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es in der Höhle Tiere?
Schlumbohm: Bislang sind uns kaum welche begegnet. Dadurch dass der Zugang durch Wasser versperrt ist, kommen größere Lebewesen nicht hinein. Außerdem ist es immer dunkel. Wir haben noch nie Fledermäuse gesehen. Spinnen gibt es auch keine. Nur das Wasser wird von kleinen weißen Krebsen bewohnt, die man aber häufig in Höhlen findet. Und Regenwürmern sind wir schon mal begegnet. Sie werden wahrscheinlich mit dem Fluss in die Höhle gespült. Die Eintrittstelle des Wassers liegt etwa 20 Kilometer von dem Bereich entfernt, den wir bislang erkundet haben.
Karte mit Höhlenprofil
SPIEGEL ONLINE: Was hat Sie bei der Erkundung am meisten überrascht?
Schlumbohm: Wir hätten nicht damit gerechnet, dass die Höhle so groß ist und es so viele trockene Bereiche gibt. Von unserer Lagerstelle aus kann man sich ein ganzes Stück zu Fuß bewegen. Es gibt einen schmalen Canyon, der mit kaltem Wasser gefüllt ist. Wenn man ihn durchschwimmt und weiterklettert, kommt man in eine weitere hohe Halle, die vor einiger Zeit entstanden ist, weil große Felsteile aus der Decke gebrochen sind. Dort liegen viele Trümmer herum. Im hinteren Bereich verästelt die Höhle stark. Dort sind wir in einem weiteren Teil der Unterwasserhöhle bis in 100 Meter Tiefe getaucht. (Anmerk. Red.: Eine vergrößerbare Ansicht der Karte mit Höhenprofil gibt es hier).
SPIEGEL ONLINE: Das klingt ziemlich gefährlich.
Schlumbohm: Eine Höhle zu erkunden, über die man fast nichts weiß, ist ein Abenteuer. Deshalb tauchen wir auch nur mit Leuten, auf die wir uns zu 100 Prozent verlassen können. 20 Höhlentaucher sind insgesamt im Team. Jeder hat seine Aufgabe. Wir Taucher sprechen vorher und während der Erkundung offen über Risiken und nehmen immer Atemgasflaschen als Reserve mit. Solche Projekte sind nichts für Adrenalinjunkies, die Gefahren suchen. Man muss klar und besonnen handeln, alles andere wäre lebensmüde.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie Angst vor plötzlichen Fluten?
Schlumbohm: Wir achten genau darauf, wann wir in die Höhle tauchen. Wenn sich heftiger Regen ankündigt oder der Fluss oberirdisch viel Wasser führt, müssen wir die Tauchgänge verschieben. In der Höhle haben wir auch Wasserdrucksensoren installiert, um genauer zu untersuchen, wie sich der Wasserstand dort bei Regen verändert. Die Sensoren müssen wir allerdings von Hand ablesen. Ein Restrisiko bleibt immer. Dafür haben wir Notfallpläne. Auch einen verletzten Taucher können wir mithilfe des Unterwasserscooters im Notfall aus der Höhle transportieren.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
In Südfrankreich erkunden Hobbytaucher seit 2010 die Höhle Cabouy, etwa 200 Kilometer östlich von Bordeaux. Die Höhle beherbergt einen unterirdischen Teil des Flusses Ouysse. Deshalb heißt das Projekt auch "The Hidden River Project". Hier im Bild ist der Canyon zu sehen. Er liegt in der Nähe des Lagerplatzes der Taucher. Wenn sie von hier aus tiefer in die Höhle gelangen wollen, müssen sie ihr Equipment über das scharfe Gestein transportieren.
Der Einstieg in die Höhle führt durch einen Tümpel mitten im Wald. Etwa 20 Helfer transportieren vor jedem Tauchgang mehrere Tonnen Ausrüstung hierher.
Die Hallen und Tunnel der Cabouy wurden über Jahrtausende durch das Wasser aus dem Felsen gewaschen.
Taucher am Ausgang des Canyons. Die Kanten des Gesteins sind extrem scharf. Es besteht erhöhte Verletzungsgefahr.
Der Boden und Teile der Wände im Trockenbereich hinter dem Lager der Taucher sind bedeckt mit einer dicken Schicht Schlamm und Lehm. Steht das Flusswasser hoch, lagert sich das Material dort ab.
Trockener Seitentunnel in der Cabouy: Hier bilden sich feine Stalaktiten.
Kurz auftauchen: Die langgezogene Unterwasserhöhle am Eingang der Cabouy wird durch einen unterirdischen See unterbrochen. Hier können die Taucher für einen Moment auftauchen und atmen.
Mit Sack und Pack: Dieser Taucher hat zwei Flaschen auf dem Rücken, drei an der Seite, den Schlafsack unterm Bauch und eine Trockenröhre im Schlepptau. Auf zwei Scootern vorn ist eine Kamera montiert.
Sobald das Team die Höhle verlässt, herrscht in den gewaltigen Hallen Finsternis.
Das Wasser im Canyon ist mit etwa zwölf Grad sehr kalt.
Dieser Bereich der Höhle liegt etwa drei Kilometer vom Höhleneingang entfernt. "Solche Projekte sind nichts für Adrenalinjunkies, die Gefahren suchen", sagt Stephan Schlumbohm, einer der Projektleiter. Man müsse klar und besonnen handeln, alles andere wäre lebensmüde.
Eine Seilbahn hilft beim Transport der Ausrüstung.
Mittagessen im Dunkeln: In der Höhle ist immer Nacht.
Der Höhlenverlauf aus der Vogelperspektive.
Transport durch den Matsch.
In einem Teil der Höhle ist vor einiger Zeit die Decke eingebrochen. So sind riesige Tunnel und Hallen entstanden.
Bei tieferen Tauchgängen nutzen die Höhlenforscher ein Kreislauftauchgerät. Damit verbrauchen sie weniger Atemgas und sparen somit Gepäck.
Taucher mit Unterwasserscooter.
Transport im flachen Wasser.
Im Lager tragen die Taucher sicherheitshalber einen Helm.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden