Chemie extrem Forscher bringen Salz aus der Fassung

Kochsalz ist und bleibt Kochsalz, denn Natriumchlorid ist eine enorm stabile Verbindung - könnte man denken. Doch Experimente zeigen jetzt: Wenn die Bedingungen extrem genug sind, nimmt das Salz ganz andere Formen an.
Kein normales Kochsalz mehr: Strukturmodell von NaCl3

Kein normales Kochsalz mehr: Strukturmodell von NaCl3

Foto: Artem Oganov

Natriumchlorid ist im Prinzip eine ziemlich schlichte Verbindung: Weil dem Element Chlor für die maximale Stabilität gerade ein Elektron in seiner Hülle fehlt und das Element Natrium eines zu viel hat, fügen sich die beiden gern zusammen. Und bleiben so - in Form eines sehr stabilen Salzgitters.

Ein internationales Forscherteam berichtet im Fachmagazin "Science"  nun, wie man Salz trotzdem aus der Fassung bringen kann. Die nötigen Zutaten: sehr hoher Druck, hohe Temperaturen sowie eine Extraportion Natrium oder Chlor.

Zuerst berechnete das internationale Team um Weiwei Zhang und Artem Organov von der State University of New York in Stony Brook, welche Verbindungen sie erwarten könnten. Dann führten sie Experimente in einer winzigen Kammer durch, in der bis zu 200.000-facher Atmosphärendruck herrschte, und deren Inneres sie per Laser auf mehr als 17.000 Grad Celsius erhitzten. Auch eine Forscherin vom Deutschen Elektronen-Synchrotron Desy in Hamburg, Zuzana Konopkova, war an den Experimenten beteiligt.

"Verrückte Verbindungen erzeugt"

"Wir haben verrückte Verbindungen vorhergesagt und erzeugt, die gegen die Lehrbuchregeln verstoßen: NaCl3, NaCl7, Na3Cl2, Na2Cl, und Na3Cl", sagt Weiwei Zhang. Die Verbindungen seien thermodynamisch stabil und blieben das auch, sobald sie einmal erzeugt worden seien. Und dass, obwohl sie den klassischen Regeln der Chemie widersprechen würden.

Interessant sind die Substanzen unter anderem, weil sie einen Blick darauf eröffnen, welche Verbindungen etwa im Inneren von Planeten existieren könnten. Die Forscher sehen auch praktische Anwendungsmöglichkeiten: Man könnte unter hohem Druck eventuell neue Materialien konstruieren.

"Der spannendste Aspekt dieser Arbeit ist allerdings, dass sie eine klassische Lehrbuchmeinung umstößt", schreibt Jordi Ibáñez Insa vom Spanischen Wissenschaftsrat CSIC in Barcelona in einem Begleitartikel in "Science" . "Unter hohem Druck verändern sich die bekannten Regeln der Chemie." Nichtleiter würden zu Metallen. Weiche chemische Bindungen würden sich verfestigen. Reaktionen, die unter normalen Umgebungsbedingungen nicht stattfinden, würden möglich. "Und die Einfachheit einer stark ionischen Verbindung wie Natriumchlorid geht total verloren."

wbr

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