Klima China stößt weitaus mehr Kohlendioxid aus als bekannt

Chinas riesiger Treibhausgas-Ausstoß bestimmt wesentlich, wie stark sich das Klima erwärmen wird. Jetzt wird bekannt: Die CO2-Emissionen liegen um ein Sechstel höher als angegeben.
Luftverschmutzung in Qianan

Luftverschmutzung in Qianan

Foto: Lu Guang/ dpa

Schlechte Nachrichten vor dem Welt-Klimagipfel in Paris: China stößt weitaus mehr Treibhausgas aus als angenommen. Die CO2-Emissionen lägen um ein Sechstel höher als angegeben, berichtet die "New York Times" ("NYT") . Die Zeitung beruft sich auf Zahlen aus einem Jahrbuch der chinesischen Statistikbehörde von 2013, die bislang übergangen worden seien.

China bestimmt wesentlich das Ausmaß der befürchteten weltweiten Erwärmung. Etwa ein Viertel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen stammt aus dem Großstaat, Tendenz steigend: Die Hälfte der globalen Zunahme am CO2-Ausstoß im vergangenen Jahrzehnt kam aus chinesischen Schloten.

Die neuen Zahlen zeigen, dass Chinas Beitrag zum Klimawandel noch größer ist. Etwa eine Milliarde Tonnen CO2 pro Jahr höher liege der wahre Ausstoß des Landes, berichtet die "NYT". Diese Menge entspricht den gesamten jährlichen CO2-Emissionen Deutschlands. Vor allem der Kohleverbrauch von Chinas Schwerindustrie seit der Jahrtausendwende sei unterschätzt worden.

"Müssen wir korrigieren"

Chinas Klimaziele stehen damit infrage. Bis 2030 soll der Anteil nicht-fossiler Energien in China um etwa ein Fünftel steigen. Es werde komplizierter, das Ziel zu erreichen, sagte der Direktor von Chinas Zentrum für Energiewirtschaftsforschung an der Xiamen Universität der "NYT". Nun müssten zunächst die Daten korrigiert werden; Prognosen und Verpflichtungen beruhten auf den falschen Angaben.

Das Land hatte zudem angekündigt, dass seine Industrie bis zum Jahr 2030 für das gleiche Produktionsergebnis bis zu zwei Drittel weniger CO2 freisetzen soll. Die Abhängigkeit Chinas von Kohle sei aber größer als angenommen, entsprechend schwieriger dürfte es fallen, die gesteckten Klimaziele zu erreichen, sagte ein früherer Energiebeamter der "NYT".

Der Bericht stützt eine Analyse der US-amerikanischen Energiebehörde EIA , die im September ebenfalls zum Ergebnis gelangte, der CO2-Ausstoß Chinas würde erheblich unterschätzt. Einen Monat zuvor jedoch kamen Forscher im Wissenschaftsblatt "Nature"  zu dem Ergebnis, die Emissionen wären deutlich überschätzt.

Masken gehören in vielen Städten Chinas zum alltäglichen Utensil

Masken gehören in vielen Städten Chinas zum alltäglichen Utensil

Foto: CHINA STRINGER NETWORK/ REUTERS

Chinas CO2-Ausstoß lässt sich nur schwer nachvollziehen, häufig wurden Angaben wesentlich korrigiert. Ende der Neunzigerjahre etwa hieß es, Kohlekraftwerke würden ein Fünftel weniger CO2 erzeugen - es war ein Irrtum, manche Kohleminen hatten ihre Zahlen schlicht nicht veröffentlicht. Erschwert werden die Rechnungen durch Hunderte kleiner Minen, die häufig illegal betrieben werden.

Die Begrenzung der Klimaerwärmung hängt wesentlich an China - sie wird den neuen Zahlen zufolge schwieriger: Gelänge es China, seine CO2-Emissionen wie beschlossen 2030 gipfeln zu lassen, wäre nach Berechnungen von Klimaforschern allein damit 40 Prozent des verbleibenden Budgets verbraucht, dass die Weltgemeinschaft ausstoßen dürfte, um die Erwärmung nicht über zwei Grad zu treiben.

Gleichzeitig zu seiner Energiewende will das Großreich Hunderte Millionen Menschen aus der Armut führen - dafür sollen Hunderte Kraftwerke gebaut werden. Jeder Bürger Chinas erzeugt nur etwa ein Viertel so viel CO2 wie ein US-Amerikaner, der Stromverbrauch jedes Haushalts in China liegt gar nur bei einem Achtel - obwohl China bald doppelt so viel CO2 in die Luft pustet wie die USA.

Die entscheidende Frage lautet: Auf welche Weise soll die Energie erzeugt werden für das erwartete Wachstum?

Investitionen in Kohleenergie am höchsten

Das Land investiert mehr in alternative Energieformen als alle anderen Staaten; sein Budget dafür beträgt mehr als ein Viertel des globalen Etats. Zudem will China Dutzende neue Kernkraftwerke bauen, sodass bereits in fünf Jahren fünfmal mehr Strom aus Kernkraft erzeugt werden kann.

Um Unternehmen ökonomische Anreize für eine Energiewende zu bieten, hat China einen CO2-Emissionshandel aufgesetzt, der nächstes Jahr landesweit starten soll, nachdem er bereits regional getestet wurde. Wer in China CO2 ausstößt, muss künftig dafür zahlen.

Doch unterm Strich bleiben die Investitionen in Kohle mit Abstand am höchsten. 2014 wurde etwa doppelt so viel Kraftwerksleistung auf Kohlebasis installiert wie aus Wind, Sonne, Wasser und Kernkraft zusammengenommen.

Das geschah nicht zuletzt, um die Luftverschmutzung in Großstädten zu mindern. Millionen Menschen erkranken jedes Jahr an dem Feinstaub. Bereits 2013 startete China ein fast 300 Millionen Dollar teures Programm, um abgasintensive Kraftwerke und Industrien zu erneuern.

Noch stammen zwei Drittel von Chinas CO2-Emissionen aus Kohle - und das Verfallsdatum Hunderter Kohlekraftwerke des Landes liegt weiter als 50 Jahre in der Zukunft. Dass China die teuren Anlagen massenweise stilllegen könnte, erscheint zweifelhaft.

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