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Bohai-Bucht: Chinas Ölboom sorgt für Umweltschäden

Foto: REUTERS / China Newsphoto

Chinesische Öllecks Stille Katastrophe in der Bohai-Bucht

China kurbelt die Ölproduktion vor seinen Küsten an - doch immer wieder kommt es dabei zu Unfällen. Innerhalb von zwei Monaten haben die Behörden nun schon die dritte Ölpest in der Bohai-Bucht eingestehen müssen. Umweltschützer sind entsetzt.

Peking - Um den Energiehunger seiner aufstrebenden Wirtschaft zu stillen, setzt China vor allem auf Kohle. Doch wo es möglich ist, werden auch andere Ressourcen angezapft. So fördern mehrere Plattformen im flachen Wasser der Bohai-Bucht, südöstlich der Hauptstadt Peking, auch Öl. Nach Angaben von "Nature News" hat sich Chinas Offshore-Ölproduktion in der Region in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Dabei kommt es immer wieder zu Unfällen - so wie auch derzeit.

Innerhalb von zwei Monaten haben die chinesischen Behörden insgesamt drei Ölunfälle in der Region eingestehen müssen. Aktuell geht es um einen etwa ein Quadratkilometer großen Ölteppich. Er stammt nach Angaben der Nationalen Ozeanbehörde von der Förderplattform Suizhong 36-1. Betreiber ist die China National Offshore Oil Corporation. Das Unternehmen sagt, das Technikproblem sei mittlerweile behoben. Das ausgetretene Öl werde mit Spezialmatten und Chemikalien gebunden.

Gemessen an vorherigen Ölteppichen in der Region fällt der aktuelle also eher klein aus, wenn die offiziellen Angaben stimmen. Doch die weiter steigende Ölförderung hat einen hohen ökologischen Preis. Immer wieder werden die Wasser der Bohai-Bucht verschmutzt - zum Ärger von Umweltschützern und Anwohnern. In der vergangenen Woche hatte die Firma ConocoPhillips China eingestehen müssen, zwei Unfälle am Ölfeld Penglai 19-3 hätten zuletzt ein Gebiet von insgesamt 840 Quadratkilometern verseucht. Das größte Offshore-Ölfeld der Volksrepublik wird von dem Unternehmen gemeinsam mit der China National Offshore Oil Corporation ausgebeutet.

Nach Angaben der chinesischen Behörden wurde bei dem Unfall sogar die Wasserqualität in einem Gesamtgebiet von 3400 Quadratkilometern beeinträchtigt. Zum Vergleich: Wenige Tage nach dem Untergang der Plattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko im vergangenen Jahr hatte der Ölteppich eine Größe von 10.000 Quadratkilometern erreicht.

Zeitung vermeldet "breite öffentliche Kritik"

Die Dimension der chinesischen Unfälle ist fraglos kleiner, doch die Reaktion der Beteiligten ist problematisch: Die Zeitung "China Daily" berichtet, die Firmen ConocoPhillips und China National Offshore Oil sowie die Nationale Ozeanbehörde hätten die ersten beiden Unfälle beinahe einen Monat lang vor der Öffentlichkeit verschwiegen. Dafür habe es nach dem Bekanntwerden "breite öffentliche Kritik" gegeben. Inzwischen habe die Ozeanbehörde versprochen, die Kontrolle von Offshore-Ölfeldern zu verbessern - und Informationen über Probleme zeitnah zu veröffentlichen. Die Förderung an den betroffenen Plattformen des Ölfeldes Penglai 19-3 soll nach einer Entscheidung von Mittwoch solange ruhen, bis die Technikpannen dauerhaft behoben sind.

Das Problem: Die Behörden hatten über die Zwischenfälle an dem Ölfeld überhaupt erst berichtet, als Informationen darüber beim chinesischen Twitter-Pendant "Sina Weibo" aufgetaucht waren. Die Webseite der südkoreanischen Tageszeitung "Chosun Ilbo" berichtet außerdem, China habe Südkorea, Japan und Russland nicht über die aktuellen Ölaustritte informiert: Das sei damit zu erklären, dass das betroffene Gebiet nah an der chinesischen Küste liege. Damit sei es nicht von dem internationalen Kooperationsabkommen NOWPAP ("Northwest Pacific Ocean Preservation Plan") erfasst. Es sieht vor, dass sich die Unterzeichnerstaaten über Unglücke dieser Art informieren, um bessere Gegenmaßnahamen treffen zu können. China wolle die betroffene Region der Bohai-Bucht aber nicht in das Abkommen einbeziehen, da dort auch viele Militärstützpunkte lägen, zitiert die Zeitung einen südkoreanischen Regierungsbeamten.

Fehlende Transparenz bei Ölunfällen ist freilich keine chinesische Spezialität. Die britische Zeitung "Guardian" hatte vor wenigen Tagen berichtet, auf den Förderplattformen für Öl und Gas in der Nordsee käme es statistisch gesehen einmal pro Woche zu Lecks. Die Zeitung hatte das mit Papieren der britischen Aufsichtsbehörde Health and Safety Executive (HSE) belegt. "Vor allem wenn es sich um Öllecks und Risikosituationen handelt, erfährt man zu wenig und oft erst sehr viel später", hatte der Ölexperte Steffen Bukold vom unabhängigen Beratungsunternehmen Energycomment beklagt.

Chinas wachsende Ölindustrie aber fordert nach Ansicht von Umweltschützern dennoch ihren Tribut: So hatte im vergangenen Jahr eine geborstene Pipeline in der Hafenstadt Dalian für die bisher schwerste bekannte Ölkatastrophe des Landes gesorgt. Damals war ein Gebiet von rund 400 Quadratkilometern betroffen, die Behörden waren auf den Unfall unvorbereitet - Fischer, Rentner, Studenten und Hausfrauen mussten zunächst mit Eimern und Essstäbchen, meist ohne Atemmasken und Schutzkleidung gegen den giftigen Ölschlamm kämpfen. Ein Feuerwehrmann war in der zähen Masse ertrunken.

chs
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