Oktoberfest Pandemie-Beauftragter der TU München rät zum zweiten Booster vor der Wiesn

Oktoberfest: Massenhafte Degustierung von Massen von Maßen
Foto: Tobias Hase / picture alliance/dpaDie Covid-Zahlen sind weiter hoch und steigen tendenziell, doch die Lage scheint unter Kontrolle. Das, warnen viele Fachleute, müsse im Herbst nicht so bleiben: Seit Wochen wird darüber diskutiert, ob und welche Maßnahmen nötig sind, eine erneute Verschlimmerung der Pandemielage zu verhindern.
Mit Blick auf die anstehende Feiersaison rät der Münchner Infektiologe Christoph Spinner nun zum »zweiten Booster«. Das Infektionsrisiko auf Volksfesten sei nun einmal erhöht. Nicht zuletzt grassierte auch früher – bedingt durch die großen Menschenansammlungen und die Enge in den Bierzelten – die sogenannte Wiesn-Grippe: Ärzte registrierten zur Volksfestzeit und danach im Raum München erhöhte Zahlen von grippalen Infekten.
Zu den neuhochdeutschen Wörtern, die in Covidzeiten Schrecken verbreiteten, gehört der Begriff »Superspreading«: Große Menschenansammlungen, Konzerte und Volksfeste galten als Motoren der Virenverbreitung und gehörten in den Lockdown-Phasen zu den ersten öffentlichen Ereignissen, die abgesagt wurden. Mit Kontakteinschränkungen bis hin zu Lockdowns hatte man seit 2020 versucht, die Pandemie einzudämmen.
Dazu sieht Spinner, der Pandemie-Beauftragte des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, in diesem Herbst keinen Grund: »Ich wüsste nicht, warum die Wiesn nicht stattfinden sollte«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Seit 2020 war das größte Volksfest der Welt mit seinen rund sechs Millionen Besuchern zweimal hintereinander wegen der Pandemie abgesagt worden. Im April 2022 hatte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) entschieden, dass das Oktoberfest dieses Jahr wieder stattfinden soll. Angezapft wird am 17. September, bis zum 3. Oktober drängen sich dann die Trinker in den Zelten.
Bringt der Booster etwas?
Das, meint Spinner, sei in der aktuellen Lage prinzipiell kein Problem: »Natürlich weisen aktuelle Beobachtungen auf ein erhöhtes Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion im Kontext von Volksfestveranstaltungen, wie es auch bei der Wiesn zu erwarten wäre«, sagte Spinner. Dass der Booster einen Nutzeffekt hat, steht für Spinner außer Frage: »Die Optimierung des Impfschutzes, beispielsweise durch einen zweiten Booster zwei bis vier Wochen vor der Wiesn, kann das Infektionsrisiko noch einmal merklich senken.«
Doch selbst darüber, wie sinnvoll das wäre, wird seit Wochen debattiert. Zahlreiche Studien zeigen zwar, dass auch in Bezug auf die Omikron-Varianten Impfungen die Wahrscheinlichkeit schwerer Erkrankungen senken. Sie können allerdings die Ansteckung nicht verhindern. Und das wirft Fragen auf, für wen genau der »Doppel-Booster« dann noch sinnvoll wäre: nur für Risikogruppen? Für ältere Menschen? Oder doch für alle?
Da scheiden sich die Geister, auch auf Expertenseite. Aktuell empfiehlt die Ständige Impfkommission den zweiten Booster nur für Risikogruppen und Menschen ab 70 Jahren. Auf EU-Ebene wird die Auffrischung allen Menschen ab 60 Jahre empfohlen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Impfstoffentwickler derweil dazu aufgerufen, Vakzine zu entwickeln, die stärker auf eine Verhinderung der Ansteckung zielen. Mehrere Unternehmen haben bereits mit klinischen Tests entsprechender Präparate begonnen. Was allerdings, wenn es gut geht, frühestens für das Oktoberfest 2023 relevant wäre, vorher jedoch nicht.
Bis dahin werden die Unternehmen voraussichtlich zum Herbst 2022 angepasste Impfstoffe auf den Markt bringen, die etwas besser gegen schwere Krankheitsverläufe durch Omikron-Varianten schützen sollen. Das Zulassungsverfahren für ein erstes Präparat von Biontech läuft. Ob man das braucht oder auch mit dem bereits zur Verfügung stehenden Impfstoff auskommt, ist ebenfalls Stoff für Expertendebatten: Unstrittig scheint immerhin, dass ein Booster zumindest die Zahl der Antikörper gegen Covid zeitweilig deutlich erhöht. Und im direkten Vergleich zu den Gesundheitsrisiken durch Substanzen, die Oktoberfestbesucher sonst so zu sich nehmen, dürfte das Impfrisiko zu vernachlässigen sein.