Nach Dürrejahren und Stürmen Deutschlands Wäldern geht es so schlecht wie nie zuvor

Stürme, Dürrejahre, Schädlinge: Die Situation des deutschen Waldes ist noch dramatischer als von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner dargestellt, warnen Forstwissenschaftler.
Vertrockneter Nadelbaum im Nationalpark Harz

Vertrockneter Nadelbaum im Nationalpark Harz

Foto: Julian Stratenschulte / dpa

Die schlechten Nachrichten rund um den deutschen Wald reißen nicht ab: Erst vor wenigen Monaten warnte das Bundeslandwirtschaftsministerium vor massiven Waldschäden in Deutschland. Schon damals hieß es, das Schlimmste stehe noch bevor.

Die Schäden in deutschen Wäldern haben nun ein historisches Ausmaß erreicht, erklärten Forstwissenschaftler am Donnerstag in Berlin. "Wir erleben gerade die schwerwiegendste Waldschaden-Situation seit Beginn der geregelten nachhaltigen Waldbetreuung und Waldbewirtschaftung, das heißt also seit mehr als 200 Jahren", sagte Waldschutz-Professor Michael Müller von der Technischen Universität Dresden. Auslöser seien Stürme, eine Massenvermehrung von laub- und nadelfressenden Insekten sowie die trockenen Jahre 2018 bis 2020. "Diese Kombination gab es bisher nicht."

Die jüngsten Angaben von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zu Waldschäden vom Februar seien laut Müller "längst überholt". Damals hatte Klöckner von 160 Millionen Kubikmetern Schadholz gesprochen und von 245.000 Hektar Fläche, die wieder aufgeforstet werden müsse - das ist fast so groß wie das Saarland.

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Weggeknickt: Klimaextreme und der Wald

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Die finanziellen Mittel für Aufforstung und den Waldumbau hin zu widerstandsfähigen Mischwäldern seien da, sagte Müller. Es brauche aber passende rechtliche Rahmenbedingungen "und vor allem ausreichend Personal auf allen Ebenen". Bund und Länder stellen für die Waldrettung in den kommenden vier Jahren knapp 800 Millionen Euro bereit.

Neben der Klimaanpassung bestehender Wälder und dem Aufforsten von Mischwäldern müsse man sich mehr als je zuvor um eine pflegliche Waldbehandlung kümmern, sagte Andreas W. Bitter, der ebenfalls an der TU Dresden Forstwirtschaft lehrt. Wichtig sei, den Boden zu schonen, etwa über Regelungen zum Maschineneinsatz.

Die Forstämter warnten schon im Frühjahr vor einer Kettenreaktion bei den Waldschäden: Der milde Winter habe die Larven, Puppen und Eier des Borkenkäfers kaum geschädigt. Außerdem hätten die Februarstürme in diesem Jahr viele Bäume umgeknickt. Diese dienten laut Forstexperten als Brutstätte für die Borkenkäfer. Auch die Schäden der vergangenen zwei Jahre seien an vielen Orten noch nicht beseitigt und viele Bäume von der Trockenheit der letzten Jahre noch geschwächt. Das verringere ihre Widerstandskraft gegenüber den Schädlingen.

Besonders von Waldschäden betroffen sind Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Thüringen. Forstbetriebe kämpfen seit Monaten mit Einbußen. Auch die Folgen für den Tourismus seien noch nicht absehbar, sagte Peter Gaffert, Oberbürgermeister der Harz-Stadt Wernigerode - und studierter Forstwissenschaftler.

sug/dpa-AFX
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