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Berggorillas: Das Erbe von Karisoke

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Gorillaexpertin Die Frau, die allein in den Wäldern lebte

Vor 50 Jahren begann Dian Fossey ihre bahnbrechende Forschung über die Berggorillas. Heute sind ihre Schützlinge Botschafter der bedrohten Natur in Ruanda und Uganda. Sie selbst konnte diesen Erfolg nicht mehr erleben.
Von Winfried Schumacher

"Sie war eine starrsinnige, ja, eine schwierige Frau", sagt François Bigirimana. "Und gerade deshalb war sie so gut für die Gorillas und Ruanda." Der alte Mann blickt auf die Silhouette der Virunga-Vulkane in der Ferne. Über dem Bergwald steigen dichte Nebelschwaden auf.

"Wir brachten ihr Bananen, Maniok und Süßkartoffeln hinauf nach Karisoke", sagt der Naturführer, "sie lebte in aller Einfachheit da oben". 1981 lernte Bigirimana die heute weltberühmte amerikanische Primatenforscherin Dian Fossey kennen. Der junge Ruander arbeitete zunächst als Träger in den Bergen nahe der Grenze zu Uganda und dem damaligen Zaire.

Später wurde er zum Mitarbeiter der Gorillaexpertin und ist einer der letzten im Vulkan-Nationalpark, der Nyiramachabelli persönlich kannte. So nennen die Ruander Fossey noch heute ehrfurchtsvoll - Die Frau, die allein in den Wäldern lebt.

"Sie konnte so böse werden, wenn jemand den Gorillas nicht wohlgesonnen war", erinnert sich Bigirimana und lächelt. "Die Leute fürchteten sie. Ihrer Härte ist es zu verdanken, dass wir die Tiere heute noch haben. Die Gorillas haben uns Elektrizität, Hotels, Schulen und Krankenhäuser gebracht."

Silberrücken beäugt Touristen

Bigirimana ist heute einer der ältesten Gorilla-Guides in Ruanda. Der 61-Jährige kennt jedes einzelne Mitglied der zehn an Menschen gewöhnten Gruppen persönlich und er spricht ihre Sprache. Laut kreischend, knurrend und brummend gibt er eine Kostprobe aus seinem Repertoire und trommelt sich in bester Gorillamanier mit den Fäusten auf die Brust.

"Wenn ich Guhonda, unseren größten Silberrücken, heute im Wald sehe, begrüßen wir uns wie alte Freunde", sagt Bigirimana. "Kaum zu glauben, wie aggressiv er einmal war, damals, als Dian Fossey ihm zum ersten Mal begegnete."

Vorbei an vom Nebel verhüllten Baumriesen führt der Dian-Fossey-Weg immer tiefer in den Bergwald. Der Pfad war einst der Weg der Gorillaforscherin zu ihren Schützlingen. Aus dem Dschungel dringt das aufgeregte Gebrüll eines Menschenaffen. Urplötzlich steht ein Berggorilla am Wegrand, als habe ihn jemand als Türsteher im Nebelwald angestellt. Der zottelige Silberrücken beäugt misstrauisch die Touristen, die zum Grab der berühmten Zoologin pilgern.

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Berggorillas: Das Erbe von Karisoke

Foto: Win Schumacher

Zum ersten Mal hatte Fossey die Berggorillas 1963 in Uganda zu Gesicht bekommen. Die Begegnung mit den Menschenaffen sollte nicht nur ihr Leben prägen, mit ihr begann auch eine neue Ära des Artenschutzes und der Verhaltensforschung. Am 24. September 1967 gründete Fossey die Karisoke-Forschungsstation auf der ruandischen Seite der Virunga-Vulkane. Damals standen die Berggorillas noch am Rand des Aussterbens. Über Jahre näherte sich die Verhaltensforscherin den Tieren, studierte ihre Kommunikation und ihr Sozialleben.

Schutz der Tiere hat höchste Priorität

Von der ersten Hütte, in die die Primatologin zunächst einzog, sind nur noch die Fundamente erkennbar. Später richtete sich Fossey etwas oberhalb eine neue Unterkunft ein. Hier fanden Mitarbeiter am 27. Dezember 1985 den leblosen, mit einer Majete niedergestreckten Körper der Forscherin neben ihrem Bett.

"Ich bin sicher, dass es Wilderer waren", sagt Bigirimana. Der Mörder ist bis heute nicht gefasst. Bis zu ihrem Tod kämpfte Fossey gegen Tierfänger, die junge Gorillas an Zoos verkauften und aus Körperteilen ihrer Eltern und Geschwister Souvenirs herstellten. "Sie wollte keine Touristen", sagt Bigirimana, "sie fürchtete, dass sie für die Gorillas zur Gefahr werden könnten".

Fossey machte sich auch Jäger zum Feind, die es auf die Büffel und Antilopen abgesehen hatten. Deren Fallen wurden auch immer wieder für die Menschenaffen zur Todesgefahr. Auch heute noch finden sie Ranger manchmal im Wald.

In Ruanda und Uganda hat der Schutz der Tiere inzwischen höchste Priorität. Mit dem Gorilla-Tourismus verdienen die beiden ostafrikanischen Länder Millionen. In diesem Jahr hat Ruanda den Preis für eine Begegnung mit den Tieren im Vulkan-Nationalpark auf stolze 1500 Dollar angehoben. Der strenge Schutzstatus hat dafür gesorgt, dass die Population der Berggorillas in den letzten Jahrzehnten immer weiter gewachsen ist. Inzwischen sollen es wieder mehr als 900 Tiere sein.

Rückzugsort für Schimpansen

Die Bewahrung ihres natürlichen Lebensraums kommt auch vielen anderen Arten zu Gute. In den Virunga-Bergen profitieren Primaten wie die Goldmeerkatzen und seltene Vogelarten davon. In Uganda ist der Bwindi-Regenwald, in dem fast die Hälfte aller Berggorillas lebt, auch einer der letzten Rückzugsorte für Schimpansen und Mantelmangaben.

Auf einer Lichtung im Urwald ist neben dem Gorillafriedhof von Karisoke eine Gedenktafel für Dian Fossey angebracht. "Niemand liebte die Gorillas mehr", steht darauf geschrieben. Neben ihr liegt Digit, der erste Gorilla aus seiner Gruppe, dessen Vertrauen Fossey gewann. Digit wurde 1977 von Wilderern umgebracht. "Dass sie ihn getötet haben, war für mich vermutlich das traurigste Ereignis in all den Jahren", schrieb sie später.

Die Berggorilla-Population wächst

Nach seinem Tod setzte Fossey ihren Kampf gegen Wilderer mit zunehmender Härte fort. Erbarmungslos ließ sie ungebetene Eindringlinge in das Revier der Gorillas verfolgen und verprügeln. Launisch, verbittert und oft betrunken soll sie laut Zeitzeugen in den letzten Wochen vor ihrem Tod gewesen sein.

Kollegen begegnete sie nicht selten mit Herablassung, ihren ruandischen Mitarbeitern mit herrischem Kolonialgebahren. Das tat ihrem späteren Ruf als Schutzheilige der Gorillas keinen Abbruch. "Sie hat ihr Ziel erreicht", sagt Bigirimana, "aber sie durfte es nicht mehr erleben, dass ihre Gorillas heute sicher sind".

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Dian Fossey: Der mysteriöse Tod der Gorillaversteherin

Foto: Corbis

"Ich wünschte, Dian Fossey könnte den enormen Erfolg ihrer Schutzbemühungen selbst sehen", sagt Winnie Eckardt. "Ihr ist es zu verdanken, dass die Berggorillas die einzigen Menschenaffen der Erde sind, deren Population wächst." Die Leipziger Primatologin ist gerade von einem Einsatz in den Virunga-Vulkanen zurück. Gemeinsam mit ruandischen Studierenden erfasst sie Daten über verschiedene Gorillagruppen im Nationalpark.

Ihr Büro hat sie in einem schlichten Gebäude in Ruhengeri etwas außerhalb der Parkgrenzen. Die Dian Fossey Gorilla-Stiftung richtete hier ihr Hauptquartier ein, nachdem die Karisoke-Forschungsstation im Nationalpark in Folge des Bürgerkriegs aufgegeben wurde. Gerade erinnert dort eine Ausstellung an die 50-jährige Erforschung der Berggorillas.

"Wir haben einiges erreicht", sagt Eckardt, "aber es gibt noch immer viel zu tun." Der Druck durch eine wachsende Bevölkerung, die Gefahr durch eingeschleppte Krankheiten und der Einfluss von Kimaschwankungen auf das Nahrungsangebot der Berggorillas machen die kleinen Populationen der Tiere weiter verwundbar. Trotz allem blickt die Forscherin aber optimistisch in die Zukunft.

"Die Ruander sind sehr stolz auf ihre Gorillas und wissen um den Wert der Tiere", sagt Eckardt. "Ihre Gesundheit und ihre Wanderbewegungen werden streng überwacht, so dass Gorilla-Wilderei praktisch nicht mehr vorkommt."

Gibt es nach 50-jähriger Forschungsgeschichte überhaupt noch Wesentliches über die Berggorillas zu entdecken? Eckardt lächelt. "Oh ja, ich lerne noch immer bei jeder Begegnung etwas Neues."

Anmerkung der Redaktion: Die Recherchereise des Autors nach Ruanda und Uganda wurde von Abendsonne Afrika unterstützt.

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