Rekord im Tierreich Dracula-Ameisen - niemand schnappt schneller
Ganz schön flink, dieser Kiefer: Die Bewegung, die Dracula-Ameisen mit ihrem Schnappkiefer ausführen können, ist 5000-mal rascher als ein Wimpernschlag und tausendmal schneller als ein Fingerschnippen.
Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam der Universität von Illinois. Die Mundwerkzeuge des Insekts schnappen mit bis zu 90 Metern pro Sekunde (entspricht 324 Kilometern pro Stunde) auf - die schnellste jemals im Tierreich gemessene Bewegung, wie die Wissenschaftler im Fachblatt "Royal Society Open Science" schreiben.
Bislang hielten Schnappkieferameisen (Odontomachus) und Fangschreckenkrebse (Stomatopoda) den Rekord, die ihre Gliedmaßen ebenfalls explosionsartig bewegen. Tiere der Art Mystrium camillae, die zu den Dracula-Ameisen gehört, toppen diese jedoch: Die Insekten pressen ihre Mundwerkzeuge, Mandibeln genannt, gegeneinander und erzeugen eine Art Federspannung, die sie schließlich ähnlich wie beim Fingerschnippen freisetzen, wenn eine Mandibel über die andere gleitet.
Dabei hilft den Ameisen die besondere Bauweise ihrer Mundwerkzeuge: "Anstatt drei verschiedene Teile für Feder, Riegel und Hebelarm zu verwenden, sind alle drei in der Mandibel zusammengefasst", so Andrew Suarez, Professor für Tierbiologie und Insektenkunde an der Universität von Illinois. "Die Ameisen nutzen die Bewegung, um andere Gliederfüßer zu schlagen, sie auf diese Weise vermutlich zu betäuben, sie gegen Tunnelwände zu hauen oder wegzudrücken." Das Insekt schleppe seine Beute dann ins Nest, wo sie an Ameisenlarven verfüttert werde.
480.000 Bilder pro Sekunde
Mithilfe von Hochgeschwindigkeitskameras und Röntgenbildern machte Suarez gemeinsam mit Kollegen des Smithsonian National Museum of Natural History und des North Carolina Museum of Natural Sciences die Bewegungen der Insekten sicht- und vor allem messbar. Die Kameras nahmen dabei mit einer Frequenz von 480.000 Bildern pro Sekunde auf.
Im Video: Hängebrücke aus Tausenden Ameisen
Insgesamt, so eines der zentralen Ergebnisse der Studie, sei die Schnappbewegung der Mandibeln von Mystrium camillae die derzeit schnellste bekannte Bewegung im Tierreich, so Insektenforscher Fred Larabee vom Smithsonian Institut.
Er sei sich allerdings sicher, dass es Ameisen gebe, die diesen Rekord noch brechen könnten. "Durch den Vergleich der Kieferform von schnappenden Ameisen mit beißenden Ameisen haben wir gelernt, dass nur eine kleine Änderung der Form nötig ist, damit der Kiefer eine neue Funktion entwickelt - etwa als Feder fungiert", so Larabee weiter.
Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun untersuchen, wie die Ameisen ihre Mandibeln im Feld einsetzen. Dazu erklärt der Biologe Adrian Schmith vom North Carolina Museum of Natural Sciences: "Wir müssen noch beschreiben, wie sie Beute fangen und ihre Nester verteidigen."
Blut als Nährstoffquelle
Nicht nur die superschnellen Schnappwerkzeuge machen Mystrium camillae zu einer Besonderheit: Die Insekten, die vor allem in den südostasiatischen Tropen und Australien gefunden werden, gehören zur Gruppe der Dracula-Ameisen. Diese haben ihren Namen daher, dass die erwachsenen Tiere keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen, sondern ihre eigenen Larven anbeißen und ihnen etwas Blut absaugen.
Dabei nehmen die Larven keinen wirklichen Schaden. Zudem haben Mystrium-Ameisen ein komplexeres Kastensystem als andere Ameisenarten, das Wissenschaftler immer noch vor Rätsel stellt.