Dramatische Arktis-Schmelze Nordwest-Passage komplett eisfrei
Die Nordwest-Passage ist für die Schifffahrt seit langem ein Objekt der Begierde: Sie könnte den Seeweg von Europa nach Ostasien gegenüber der klassischen Route durch den Suezkanal um mehrere Tausend Kilometer abkürzen. Allerdings war die Benutzung der Nordwest-Passage bisher zu gefährlich: Das Meereis der Arktis machte sie für Transportschiffe praktisch unpassierbar.
Doch das hat sich geändert, wie die europäische Weltraumbehörde Esa jetzt meldet: Auf Satellitenbildern sei erkennbar, dass die Eisfläche in der Nordpolregion auf ihre geringste Ausdehnung seit Beginn der Satellitenbeobachtung vor 30 Jahren geschrumpft sei. Die Aufnahmen zeigten, dass die gesamte Route gegenwärtig schiffbar sei.
Die Eisfläche im Nordpolargebiet ist laut Esa auf drei Millionen Quadratkilometer geschrumpft - eine Million weniger als die bislang geringsten Ausdehnungen in den Jahren 2005 und 2006, und auch damals sei die Nordwest-Passage nicht vollkommen frei gewesen.
"Dieser Rückgang ist extrem"
Die größte Ausdehnung des arktischen Meereises wird jeweils im März und die geringste im September registriert. In den vergangenen zehn Jahren verringerte sich das Eis im Durchschnitt um etwa 100.000 Quadratkilometer pro Jahr, teilte die Esa mit. "Ein Rückgang um eine Million Quadratkilometer in nur einem Jahr ist extrem", sagte Leif Toudal Pedersen vom dänischen Raumfahrtzentrum. Das könne bedeuten, dass das Meereis im Sommer wesentlich früher verschwunden sein könnte als bisher angenommen. "Wir müssen dringend die daran beteiligten Prozesse besser verstehen", sagte Pedersen.
Die Arktis gilt seit langem als der Ort, an dem der Klimawandel weltweit die deutlichsten Folgen haben wird - unter anderem wegen eines Rückkopplungseffekts. Wenn das Polareis schmilzt, wird die Fläche kleiner, die die Sonnenstrahlung ins All reflektiert - weshalb die Schmelze weiter an Geschwindigkeit zunimmt. Wissenschaftler glauben, dass das arktische Meereis bis zum Jahr 2040, möglicherweise schon 2020 während des Sommers, komplett verschwunden sein könnte.
Die Arktis-Anrainer sehen im Abschmelzen des Nordpols aber durchaus auch Vorteile. Neben der Nordwest-Passage wird der Zugang zu Erdöl- und Gasreserven in dem Gebiet frei. Dies hat bereits zu neuen Rangeleien um die Souveränitätsrechte in der Arktis geführt. So stellten russische Forscher kürzlich demonstrativ die Nationalflagge in 4000 Meter Tiefe auf dem Meeresboden unter dem Nordpol auf, um den Anspruch des Landes auf das Gebiet zu unterstreichen.
mbe/Reuters/AP