Wassermangel im Unterboden Die verborgene Dürre

Ausgetrockneter Fischteich im sächsischen Bennewitz (im Juli 2020): Drei Dürrejahre in Folge
Foto: Jan Woitas / dpaTagsüber spazieren gehen darf man ja zum Glück noch. Und wer das tut, sieht grüne Wiesen. Auch das Wintergetreide auf den Feldern macht einen guten Eindruck. Weit weg scheint die Zeit im Sommer, als weite Teile Deutschlands mit Dürreproblemen zu kämpfen hatten. Mancherorts wurde damals gar das Trinkwasser knapp .
»Bis in eine Tiefe von knapp zwei Metern haben wir weiterhin eine flächendeckende Dürre in Deutschland – und zwar in einem Ausmaß, wie man es statistisch nur alle 50 Jahre erwarten würde«, sagt Andreas Marx. Der Hydrologe betreut am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig den Dürremonitor . Das ist ein Set von Landkarten, die ein Simulationsmodell jeden Tag aufs Neue produziert.
Mithilfe der Daten von 2500 Stationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) errechnet ein Computer, wie es um das Wasser in den Böden des Landes steht. Vereinfacht gesprochen lassen sich die Schaubilder so lesen: Blau ist gut, gelb so lala und je dunkler der Rotton wird, desto bedenklicher ist die Sache. Und während auf der Übersicht für das sogenannte pflanzenverfügbare Wasser, es ist zu finden in den obersten 25 Zentimetern, aktuell Blautöne dominieren, ist der Dürremonitor für den Gesamtboden, der bis in 1,8 Meter Tiefe reicht, vielerorts noch immer dunkelrot. Dort ist es trockener als im katastrophalen Dürrejahr 2018.
Und auch um die oberste Bodenschicht steht es nicht so gut, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Marx nennt das »eine skurrile Situation für Menschen, die sich nicht so stark damit beschäftigen.« Denn auch an der Oberfläche fehlt vielerorts im langjährigen Vergleich noch immer Wasser: »Es ist vollkommen normal, dass die Böden im Winter oben ziemlich nass sind. Das ist jedes Jahr so«, sagt der Forscher. Doch obwohl der Boden an der Oberfläche nass erscheine, »ist er vor allem in der Westhälfte Deutschlands trotzdem noch erheblich trockener als normal.«
Deutschland hat in Teilen des Landes drei Dürresommer hinter sich. Vielerorts hat es zu wenig geregnet. Durch höhere Temperaturen im Zuge des menschengemachten Klimawandels geht in den Sommermonaten zudem mehr Wasser durch Verdunstung verloren. Kein Wunder, wenn da zum Beispiel die Bauern zu kämpfen haben.
Besserung nicht in Sicht
Mit welcher Bilanz Landwirtschaftsunternehmen das Jahr 2020 nun abschließen, hängt davon ab, wo sie sich befinden: »Im Juni haben einige Regionen überdurchschnittlichen Niederschlag bekommen. Wer dieses Glück hatte, bei dem haben sich die Erträge stabilisiert. Wo es im Juni nicht geregnet hat, sind die Erträge zum Teil wieder stark unterdurchschnittlich gewesen. Für die Landwirte, die das dritte Jahr in Folge betroffen waren, ist das eine Katastrophe«, so der Forscher.
Und Besserung ist nicht wirklich in Sicht. Der Deutsche Wetterdienst hat ausgerechnet , dass im Herbst deutschlandweit im Schnitt etwa 150 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen sind. Das sind 82 Prozent des langjährigen Mittels. »Die fehlenden fast 20 Prozent, das ist gar nicht so wenig«, sagt Marx. Und in der Tat: Es war der fünfttrockenste November seit Messbeginn 1881. Die Speicher im Untergrund füllen sich so keinesfalls.
Schaut man auf die Verteilung des Regens laut DWD-Statistik, bekommt man auch ein Déjà-vu. Der meiste Niederschlag – bis zu 480 Liter pro Quadratmeter – landete im Schwarzwald und am Alpenrand. Die Gebiete mit dem geringsten Niederschlag lagen in der Mitte Deutschlands.
Trockenheit behindert Wassertransport
Schuld an der Trockenheit im Unterboden ist auch eine Art Teufelskreis. Man könnte ja annehmen, dass Regenwasser einfach nur von oben nach unten durch den Boden durchlaufen muss. Aber das ist nicht so. Je feuchter der Boden ist, desto höher ist nämlich die hydraulische Leitfähigkeit. Das Wasser kann sich dann also schnell bewegen. »Wo es trocken ist, wirkt das allerdings wie eine Bremse«, sagt Forscher Marx. In solchen Fällen bewege sich das Wasser, je nach Bodenart, nur ein oder zwei Zentimeter am Tag nach unten. »Die Auffüllung tieferer Schichten kam weitgehend zum Stillstand«, bilanzieren die Agrarmeteorologen des DWD den Herbst.
Ob die kommenden Wintermonate endlich Entspannung bringen? Andreas Marx zuckt mit den Schultern. Er habe ja keine Glaskugel. Saisonale Wettervorhersagen existierten zwar, seien in der Praxis für seine Arbeit aber kaum nutzbar. »Statistisch wäre es wahrscheinlich, dass wir mindestens einen durchschnittlichen Winter bekommen«, sagt der Helmholtz-Forscher. »Das muss ich aber relativieren, denn letztes Jahr habe ich das auch schon gesagt. Und es ist dann nicht so gekommen.«

Transportschiff auf dem Rhein bei Niedrigwasser (am 8. Dezember 2020): Frachtpreise steigen
Foto: PRESSEFOTOGRAFIE UDO GOTTSCHALK / imago images/Udo GottschalkWenn man über Dürre rede, sagt Marx, schaue man als Erstes immer auf die Landwirtschaft. Man spreche auch über die 285.000 Hektar verlorenen Wald. »Die Dürre hat aber Folgen in fast allen Sektoren.« Ein Beispiel: Am Mittelrhein konnten Schiffe zuletzt wegen der geringen Pegel nur noch mit halber Ladung fahren, wodurch sich die Fracht verteuert. Das ist zwar im Herbst nicht ganz ungewöhnlich. Doch dieses Jahr hielt das Niedrigwasser ungewöhnlich lange an.
Dass die Öffentlichkeit noch immer verhältnismäßig wenig über den Wassermangel spreche, habe auch mit der Macht der Bilder zu tun: »Ein Hochwasser an einem Fluss kommt schnell, verursacht ein paar Tage große Schäden und verschwindet dann wieder. Dürren entwickeln sich langsam und bleiben lange. Die ganz dramatischen Szenen fehlen.«